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Wellen des Protests gegen die Sparpakete der Regierung rollen durch Italien. Auch viele Wirtschaftstreibende sehen sich dem Schuldenstress nicht mehr gewachsen und sind zahlungsunfähig.

Foto: AP/Alessandra Tarantino

Premier Mario Monti will die Wirtschaftsprognosen nach unten revidieren. Seine Arbeitsministerin droht mit dem Rücktritt der Regierung. Die Zahl der Selbstmorde unter italienischen Unternehmern steigt.

 

Mailand - In Italien spitzt sich nicht nur die Wirtschafts- und Schuldenkrise zu. Es droht erneut auch eine Politkrise. Arbeitsministerin Elsa Fornero machte am Wochenende unmissverständlich klar, dass das gesamte Expertenkabinett von Regierungschef Mario Monti zurücktrete, sollte ihre Arbeitsmarktreform nicht akzeptiert werden. Das "Drama Italien" zeigt sich auch an der wachsenden Zahl an Selbstmorden kleiner Unternehmer.

Viele Wirtschaftstreibende sehen sich dem Schuldenstress nicht mehr gewachsen. Seit Jahresbeginn haben sich nach Angaben des Verbandes für Kleinunternehmer und Handwerker in Mestre landesweit 23 Unternehmer das Leben genommen. Neun davon stammten aus Venetien, jener Region, die durch die Dynamik ihres Unternehmertums zum Aushängeschild des Landes wurde.

Die Gründe für die hohe Selbstmordrate waren stets die gleichen: Zahlungsunfähigkeit. Laut Cgia-Generalsekretär Giuseppe Bortolussi handle es sich um einen Alarmschrei: "Die Steuern, die Bürokratie, der Kreditengpass und die Zahlungsverzögerungen erschweren das Überleben zahlreicher Betriebe." Fatal sei, dass ein Teil der Zahlungsverzögerungen auch zulasten des Staates geht.

Die Wachstumskrise in Italien hat sich seit Jahresbeginn verschärft. Der Engpass an Krediten bremst Investitionen der Unternehmer. Der durch die rigorose Sparpolitik von Regierungschef Mario Monti auf durchschnittlich 45 Prozent des Einkommens erhöhte Steuerdruck dämpft den Konsum. Alarmsignale kommen vom Stromverbrauch, der im März um fünf Prozent im Jahresvergleich gesunken ist. Die Industrieproduktion fiel im Februar nach Angaben des Statistischen Amtes um sechs Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr.

Buhlen um Investoren

"Wir sind voll in der Rezession", bestätigt Wirtschaftsminister Corrado Passera. Er verspricht, nicht nur die Infrastruktur zu verbessern, sondern auch mehr ausländische Investitionen nach Italien zu holen. Denn diese machen erst ein Prozent der gesamten Investitionen aus. "Hätten wir den gleichen Betrag der ausländischen Direktinvestitionen wie etwa Frankreich, würde sich dies auf das BIP mit einem Prozent Wachstum auswirken", sagt der Minister.

Gründe für das geringe Interesse ausländischer Investoren sind nicht nur die schwerfällige Bürokratie und langwierige Justiz, sondern auch der wachsende Einfluss des organisierten Verbrechens auf die norditalienische Wirtschaft.

Die Regierung wird zu Wochenbeginn ihre Prognose für 2012/13 nach unten korrigieren. Ursprünglich war für heuer ein Rückgang des BIP um 0,5 Prozent vorgesehen. Nun soll diese Prognose auf 1,5 Prozent revidiert werden. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für Italien einen Rückgang von 2,5 Prozent im laufenden und von 0,5 Prozent im kommenden Jahr.

Infolge der Rezession sind die Chancen für den geplanten Haushaltsausgleich 2013 gering. Trotz der Reformpolitik bleibt Italien vorerst noch ein Risikofaktor für den Euroraum. So ist der Spread, die Zinsdiskrepanz zwischen Italiens Staatspapieren und den Bundesanleihen in Deutschland, neuerdings auf 400 Punkte gestiegen. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand,  DER STANDARD, 16.4.2012)