Die Erwartungen an die neuen Gespräche über das umstrittene iranische Atomprogramm waren niedrig genug, um das Treffen in Istanbul als Erfolg zu verbuchen. In einer Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens, wechselseitiger Drohungen und angesichts der langen Gesprächspause von über einem Jahr gilt schon die Vereinbarung, überhaupt weiterzureden, als Fortschritt.
Anscheinend haben beide Seiten - der Iran auf der einen und die fünf Uno-Vetomächte plus Deutschland (P5+1) auf der anderen - verstanden, dass sie sich einen Stillstand nicht länger leisten können. Die Sanktionen gegen den Iran erhöhen den Druck auf das Regime. Und in westlichen Hauptstädten nimmt man Israels Drohung mit einem Militärschlag durchaus ernst, was als Albtraum-Szenario gilt.
Daher die Zustimmung der P5+1, die nächste Runde, wie vom Iran gewünscht, in Bagdad stattfinden zu lassen. Und daher auch die Bereitschaft Teherans, überhaupt die Atomaktivitäten zu diskutieren, was das Regime lange abgelehnt hatte: Das sind alles Zeichen des guten Willens, um eine positive Atmosphäre für Verhandlungen zu schaffen.
Die inhaltlichen Positionen sind freilich weiter meilenweit voneinander entfernt - vor allem was die iranische Urananreicherung auf 20 Prozent betrifft, auf deren Stopp die westlichen Staaten drängen. Die müssen jetzt diskutiert werden. Die Messlatte für einen Erfolg wird in Bagdad ungleich höher sein als in Istanbul. (Julia Raabe, DER STANDARD, 15.4.2012)