Manchmal müssen Strafverteidiger berufsbedingte innere Konflikte ausfechten. Wenn sie Kinderschänder vertreten müssen beispielsweise. Doch dass sie ihre Seele vor der Tür lassen, würden die wenigsten sagen - doch genau das sind die Worte von Geir Lippestad, der ab Montag um die Freilassung des geständigen Amokläufers Anders Breivik kämpfen will.

Dass es wohl ein hoffnungsloses Unterfangen ist, ist dem 47-Jährigen bewusst. Doch einerseits folgt er damit den Wünschen seines Mandanten, der präventive Selbstverteidigung als Grund angibt, warum er 77 Menschen, davon 69 Jugendliche, getötet hat.

Und andererseits ist er vom Rechtsstaat überzeugt - und der beinhaltet das Recht auf einen Verteidiger, der das Beste herauszuholen versucht. In diesem Fall kommt es so zu einer leicht skurrilen Situation: Während die Staatsanwaltschaft vorerst davon ausgeht, dass Breivik zurechnungsunfähig ist, plädiert Lippestad dafür, seinen Mandanten als geistig mehr oder weniger Gesunden zu behandeln - wobei er sich auch auf ein zweites Sachverständigengutachten beruft.

Gut kann es Lippestad nicht gegangen sein, als er am Tag nach dem Attentat von der Polizei informiert wurde, dass Breivik ihn als Verteidiger wolle. Ist er doch selbst Mitglied der Arbeiterpartei, in deren Ferienlager die Teenager auf der Insel Utöya erschossen wurden. Noch dazu sind einige seiner insgesamt acht Kinder aus verschiedenen Beziehungen im Alter der Opfer. Zwei davon leben mit Behinderungen, möglicherweise ein Mitgrund, warum sich der Chef einer 1995 gegründeten Anwaltskanzlei auch sozial engagiert.

Eine Bühne für Breivik soll der am Montag beginnende Prozess aber nicht werden, beteuert der liberale Jurist mit dem glattrasierten Schädel. Das Verfahren solle "in Würde" geführt werden, auch Hinterbliebene würden seine Distanz zu Breivik würdigen, sagt er. Auf der anderen Seite berichten Medien von massiven Drohungen.

Für Befremden sorgten allerdings Fotos einer Bildagentur, auf denen sich das Verteidigerteam wie die Schauspieler der TV-Serie Boston Legal präsentieren. Man sei mit den Bildern nicht glücklich, aber auch nicht unglücklich, sagte Odd Groen, Kollege von Lippestad dazu.

Lippestad wiederum wünscht sich nach den am 22. Juni erwarteten Schlussplädoyers vor allem eines: "Ich hoffe, ich bekomme am Ende meine Seele heil zurück." (Michael Möseneder/DER STANDARD, 16.4.2012)