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Die Wiener City ist im Vorjahr zum Paradies für Taschendiebe, Trickbetrüger und andere Kleinkriminelle geworden

Foto: apa/dpa/nietfeld

Details der Kriminalitätsstatistik

Grafik: DER STANDARD
Wien/Eisenstadt/Klagenfurt - Das Vorrecht der Politik erweist sich manchmal als Vorteil für die Praktiker. So mussten Polizeipräsidenten und Sicherheitsdirektoren am Dienstag nicht mehr krampfhaft überlegen, wie sie eine schlechte Nachricht möglichst positiv verkaufen. Dass die Gesamtkriminalität im Vorjahr explodiert ist, hatte sich schon tags zuvor der Innenminister aus der Nase ziehen lassen müssen. Die nun aufgeschlüsselten Zahlen belegen unter anderem, dass die Wiener Innenstadt im Jahr 2002 ein Paradies für Trickbetrüger und Taschendiebe war.

In ganz Wien wurden 211.547 gerichtlich strafbare Handlungen registriert, verglichen mit 2001 ein Anstieg von 17, 8 Prozent. Der Großteil aller Delikte fällt in die Kategorie "gegen fremdes Vermögen". An der Spitze die Wiener City, wo 20.159 Taschen-, Laden-, und Einbruchsdiebstähle gemeldet wurden. Rein rechnerisch ergibt sich damit eine Häufigkeitszahl von 118 Delikten pro 100 Einwohner.

Auch wenn der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl darauf hinweist, dass es sich in fast drei Viertel aller Fälle um leichtere Vergehen handelt, "jubelwürdig ist anders". Dazu die extrem niedrige Aufklärungsrate von 26, 8 Prozent (2001: 30 Prozent).

Touristen leichte Beute

Laut Wiener Kripochef Roland Horngacher machten im Vorjahr vor allem Tätergruppen aus Rumänien und Bulgarien Wien unsicher. Nicht selten würden auch Kinder in Trickbetrügereien und Diebstähle miteinbezogen. Opfer seien in erster Linie Touristen. Horngacher: "Einmal hat sich sogar ein kaum Deutsch sprechender Rumäne erfolgreich als Polizist verkauft und japanische Touristen betrogen."

Gegenmaßnahme: Die Wiener Polizei mischt zivile Greiftrupps unters Touristenvolk. Und das, obwohl Stiedl derzeit mit einem massiven Engpass an Kriminalbeamten kämpft. 100 Planstellen sind unbesetzt. Zur Überbrückung müssen 40 Beamte in Ausbildung ihre Praktika vorziehen. Fertig ausgebildeten Nachschub im Kriminaldienst gibt es erst im Herbst.

Häupl unter Beschuss

Was dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl am Dienstag widerfuhr, hätte wohl auch nicht mit mehr Polizisten verhindert werden können. Im Schanigarten eines seiner Lieblingslokale, dem Gustl Bauer in der Innenstadt, wurde Häupl Opfer einer Blumenerdeattacke. Warum der Täter ins Blumenkistl griff und den Bürgermeister mit Dreck bewarf? Möglicherweise eine Psychose, hieß es.

Das Burgenland kann als einziges Bundesland rückgängige Straftaten vorweisen. Wermutstropfen für den burgenländischen Sicherheitsdirektor Erhard Aminger: Bei der Aufklärungsquote rutschte man mit 49,10 Prozent (2001: 52,80 Prozent) erstmals unter die 50-Prozent-Marke. Der Kärntner Sicherheitsdirektor Ernst Friessnegger hingegen zeigte sich mit einer leicht gestiegenen Aufklärungsquote zufrieden: Bei fast genau jedem zweiten Delikt wurde ein Täter ermittelt.

Auffällig ist generell der Anstieg der Straftaten im Vergleich zum Anstieg der Arbeitslosigkeit. Letztere stieg laut AMS von 2001 auf 2002 um 14 Prozent - die Zahl der Straftaten kletterte in diesem Zeitraum um 13 Prozent nach oben. Der Linzer Wirtschaftswissenschafter Rudolf Winter-Ebmer, der die Korrelation zwischen Wirtschaftslage und Kriminalität in den USA nachgewiesen hat, ist allerdings nicht sicher, ob die Übereinstimmung hierzulande nicht zufällig ist. "Für Österreich gibt es bisher keine Studien." Es sei daher möglich, dass der Anstieg mit dem Kriminaltourismus zusammenhänge. (Michael Möseneder, Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.6.2003)