Wenn heutzutage von "Ratingagentur" die Rede ist, ist meistens eine Agentur gemeint, welche die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und auch ganzer Volkswirtschaften bewertet.

Wie wäre es aber mit einer Ethik-Ratingagentur, geprägt von und und bestimmt für gut informierte Konsumenten?

Konsumverhalten als Steuerungsmechanismus

Da sich die Politik wohl weiterhin bemühen wird, das Vertrauen der Märkte zu gewinnen, möchte ich einen Vorschlag zur demokratischen Mitbestimmung machen, die auch die Märkte stark beeinflusst: das Konsumverhalten.

Wie können wir Konsumenten Großkonzerne und Investoren zu ethisch und gesellschaftlich verantwortlichem Handeln bewegen?

Über die Politik haben wir leider immer weniger Möglichkeiten der Gestaltung, denn Lobbyisten und finanzielle Zwänge haben weit mehr Einfluss auf Politiker als die Interessen derer Wähler.

Indem wir selbst entscheiden was wir kaufen, können wir ethisch verantwortungsbewusst handelnde Unternehmen belohnen und andere durch Konsumverweigerung bestrafen.

Wahlfreiheit und Macht hat der Bürger vor allem als Konsument

Doch leider sind die meisten Bürger beim Konsum nicht ausreichend informiert bzw. machen sich nicht die Mühe einer genauen Recherche, wodurch meistens nur in Hinblick auf den günstigsten Preis gekauft wird.

Daher wäre es sinnvoll eine neutrale staatliche Rating Agentur ins Leben zu rufen mit dem Ziel, sämtliche relevanten Produkte und Dienstleistungen zu überprüfen, und diese Produkte dann entsprechend zu kennzeichnen.

Als Prüfkriterien schlage ich folgende vor:

  • Energie und Ressourcenverbrauch bei der Herstellung, Transport und im Betrieb
  • Müllaufkommen durch Verpackungsmaterial bzw. Entsorgung nach Lebensdauer des Produkts
  • Eventuell auftretende Kontaminierungen bei Herstellung und Entsorgung
  • Faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen bei Produktion bzw. Durchführung der Dienstleistung (Kinderarbeit...)
  • Artgerechte Tierhaltung, Tierquälerei, Tierversuche
  • Produktion im Einklang mit der Natur, Rodung von Waldflächen für Monokulturen
  • Gesundheitliche Auswirkungen bei Anwendung: also z.B. gesunde oder weniger gesunde Lebensmittel
  • Angemessene oder überzogene Vorstandsgehälter
  • Involvierung in Krieg (Investitionen in Waffengeschäfte) und Diktaturen
  • Steuerhinterziehung bzw. Auslagerung der Firmengewinne in Steueroasen
  • Sonstiges soziales und kulturelles Engagement und Sponsoring von Unternehmen

Grundinfos auf der Verpackung

Ein paar einfache Grundinformationen sollten dabei gleich auf der Verpackung angebracht werden, genauere Informationen könnten via Internet abgerufen werden.

So könnte zwar aufgrund des gesetzlich garantierten freien Güterverkehrs innerhalb der EU nicht verhindert werden dass, z.B. Schweinefleisch aus Kastenstallhaltung in unseren Regalen landet, aber man könnte hier nach dem Vorbild der Zigarettenpackungen vorgehen mit deutlicher Kennzeichnungspflicht auf der Verpackung:

Statt einem Logo mit fröhlichem Schwein in der grünen Almenwiese, müsste in diesem Beispielfall dann ein realistisches Schwein aus einem Massenbetrieb, im engen Kastenstall und in den eigenen Exkrementen liegend, dargestellt werden.

Nicht nur über den Preis entscheiden

Schokolade könnte z.B. den Hinweis auf der Packung haben, dass Kinderarbeit bei der Kakaoernte nicht ausgeschlossen werden kann, oder gar nachweislich gegeben ist.

Auch Restaurants hätten die Möglichkeit auf der Speisekarte die Herkunft der Lebensmittel zu kennzeichnen bzw. würden die Kunden dann zunehmend eine solche Kennzeichnung erwarten.

Wenn den Kunden diese Informationen leicht und deutlich zugänglich gemacht werden, würden viele bestimmt nicht nur nach dem Kriterium des Preises entscheiden.

Konsumentennetzwerk im Internet

Es wäre dabei wünschenswert, wenn Konsumenten über Vernetzung in Foren zu akkordierten Aktionen zusammen fänden.

Angenommen ein Bankenvorstand genehmigt sich einen besonders unverschämt hohen Bonus, so könnten Kunden dieser Bank gezielt ihr Geld in bar abheben, und bei anderen Banken einzahlen.

Wenn selbst bloß ein paar wenige Prozent der Kunden dies täten, wäre die Bank in ernsthaften Schwierigkeiten, da sie nur einen äußerst kleinen Teil aller Einlagen überhaupt durch Bargeld gedeckt hat.

Wenn also der betreffende Vorstand aus Angst vor einem Banken-Run einlenkt, könnte man sich in weiterer Folge gezielt die nächste Bank vornehmen.

Die gut informierten Konsumenten, die organisiert, und vereint aktiv sind, könnten somit auf ethischer Grundlage die wirtschaftlichen Vorgänge auf der Welt quasi demokratisch mit entscheiden und beeinflussen.

"Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will" - dieser Sinnspruch für Gewerkschaft und Streikrecht ist heutzutage recht zahnlos geworden, weil die Arbeit weniger wird, und das internationale Angebot an austauschbaren Arbeitskräften so hoch wie noch nie. Daher ist es wichtig die Organisation der Arbeitenden, durch die Organisation der Konsumenten zu ergänzen. (Leserkommentar, Thomas Herzig, derStandard.at, 16.4.2012)