Bild nicht mehr verfügbar.

"Wir wollen mit der PPÖ nichts zu tun haben, das sind Pfuscher."

Foto: APA/Parigger

Die Piratenpartei hat am Sonntag mit 3,8 Prozent der Stimmen den Einzug in den Innsbrucker Gemeinderat geschafft. Spitzenkandidat Alexander Ofer freut sich im Interview mit derStandard.at: "Das war unser großes Ziel." Um die Bürger wieder für die Politik zu interessieren, fordert er ein eigenes Online-Ressort im Innsbrucker Rathaus, das von den Piraten betreut werden soll. Warum er bei den Piraten keine Inhalstleere sieht, weshalb er die Bundespartei als "Pfuscher" bezeichnet und warum er es gut findet, dass Piraten und Sklaven auf den Schiffen gleichberechtigt waren, sagt er Rosa Winkler-Hermaden.

derStandard.at: Sie werden in den Innsbrucker Gemeinderat einziehen und haben am Wahlabend gesagt, Sie haben damit gerechnet. Warum waren Sie sich da so sicher?

Ofer: Ich habe die Umfrage-Werte von Deutschland hergenommen und hab mir gedacht, ein Drittel davon werden wir wohl in Innsbruck schaffen. Wir ziehen jetzt mit einem Mandat in den Gemeinderat ein. Das war unser großes Ziel.

derStandard.at: Profitieren die Österreichischen Piraten sehr stark von den Deutschen?

Ofer: Nein, das würde ich nicht so sagen. Wir wollen ihr System nicht übernehmen, sondern was Eigenes machen. Die Medienpräsenz war durch die deutschen Erfolge natürlich sehr stark. Das hat schon viel ausgemacht.

derStandard.at: Es gibt momentan eine allgemeine, große Unzufriedenheit mit der Politik. Ein Vorteil für die Piraten?

Ofer: Auf alle Fälle. Wir sehen auch noch großes Potenzial für die Landtagswahlen, die Leute für die Politik zu begeistern, es sind in Innsbruck nur 50 Prozent wählen gegangen. Mit unserem direkten Online-Tool wollen wir die Leute wieder mehr für die Politik interessieren.

derStandard.at: Was sagen Sie zu der niedrigen Wahlbeteiligung?

Ofer: Das ist traurig. In anderen Ländern kämpfen sie für ein Wahlrecht, bei uns geht gerade einmal die Hälfte wählen. Die Politiklethargie ist bei der Bevölkerung eingezogen - ein Verdienst der bisherigen Politiker. 

derStandard.at: Sie wollen ein neues System in die Politik bringen und fordern mehr direkte Demokratie - mit dem Ziel, dass die Piratenpartei dann auch wieder aufgelöst werden können.

Ofer: Wir stellen uns eine richtige Online-Demokratie vor, wo das Volk bestimmt. Da braucht es keine Parteien mehr.

derStandard.at: Wie sieht das in der Praxis aus?

Ofer: Wir stellen uns das so vor, dass das bereits in den Firmen Einzug hält. Firmen - oder zumindest ein Teil davon - sollen direktdemokratisch geführt werden. Die direkte Demokratie soll von unten nach oben gelebt werden. Das kann schon in der Familie beginnen, dass man die Meinungen der Kinder respektiert. Wir wollen das für die Politik aufbereiten, dass man online abstimmen kann.

derStandard.at: Politiker sind dann irgendwann überflüssig?

Ofer: Nicht wirklich. Es wird schon immer Politiker brauchen, die die Entscheidungen der Bevölkerung nach außen hin weitertragen, in andere Länder. Aber man kann Schritt für Schritt die demokratischen Systeme ausbauen. 

derStandard.at: Was werden Sie im Innsbrucker Gemeinderat als erstes umsetzen?

Ofer: Wir versuchen ein eigenes Ressort zu bekommen. Wir wollen, dass es ein eigenes Online-Ressort gibt, das unter der Schirmherrschaft der Piraten steht.

derStandard.at: Was sind die Aufgaben eines Online-Ressorts?

Ofer: Wir wollen die Webseite der Innsbrucker Stadt umbauen. Alles, was auf der Website veröffentlicht wird, soll man diskutieren, bewerten oder kommentieren können. Die Politiker haben dadurch gleich ein Feedback zu ihrer Arbeit. 

derStandard.at: Waren Sie immer schon politisch interessiert?

Ofer: In meiner Jugend war ich in der Gewerkschaft engagiert. Ich war sehr interessiert, bis ich gemerkt habe, wie das politische System bei den Gewerkschaftern funktioniert. Da habe ich mir gedacht, ich spiele da nicht mit. Obwohl ich sicher politische Karriere hätte machen können.

derStandard.at: Sie setzen sich also auch für soziale Themen ein.

Ofer: Ganz stark. Auch weil ich durch einen Krankheitsfall selber davon betroffen war. Ich habe zehn Jahre lang mit Sozialeinrichtungen des österreichischen Staats zu tun gehabt. Ich weiß ziemlich gut Bescheid, wie das abläuft, da will man schon einiges ändern. 

derStandard.at: Sie waren also bei der Gewerkschaft und Sozialpolitik ist Ihnen ein Anliegen. Warum ist die SPÖ keine Option für Sie?

Ofer: Als ich bei der Gewerkschaft war, war das noch sehr von der SPÖ geprägt. Das ist doch alles pseudo-sozial und im Endeffekt stimmen sie so ab, wie es vorher schon ausgemacht war. Das hat mich nicht interessiert.

derStandard.at: Die Grünen werfen den Piraten Inhaltsleere vor. 

Ofer: Das stimmt nicht, sie kopieren uns ja dauernd.

derStandard.at: In welcher Hinsicht?

Ofer: Sie sagen, sie sind die wahren Piraten. Die richtigen Computergenies seien bei ihnen. Also müssen wir anscheinend irgendwas haben, das ihnen fehlt. Sonst würden sie sich nicht mit uns vergleichen wollen.

derStandard.at: Was sagen Sie zum Vorwurf der Inhaltsleere? Man hört immer nur die Forderung nach mehr direkter Demokratie und von Initiativen im Bereich Netzpolitik. Was sind weitere Themen?

Ofer: Ich finde, das ist keine Inhaltsleere. Wir wollen ein ganz neues System etablieren, das ist Inhalt genug. Die Inhalte kommen dann eh von selber. Ich muss mich jetzt einmal in den Gemeinderat reinsetzen und schauen, was die Themen sind. 

derStandard.at: Den Piraten wird vorgeworfen, dass sie von Männern dominiert sind. Warum sind so wenige Frauen dabei?

Ofer: Das muss ich für uns verneinen, wir haben gut ein Drittel weiblichen Anteil. Wenn man das Online-Forum hernimmt, sogar die Hälfte. Da würde ich also nicht sagen, dass wir ein Problem mit Frauen haben. 

derStandard.at: Wieviele Mitglieder haben Sie denn insgesamt?

Ofer: Bei den Piraten Tirol ist das ein bisschen anders als bei der PPÖ. Jeder, der sich einklinkt und mitdiskutiert, ist eigentlich schon Mitglied. 

derStandard.at: Es gibt also keine offiziellen Mitglieder-Listen.

Ofer: Nein, weil wir ja direkte Demokratie wollen. Wir müssen für alle offen sein.

derStandard.at: Die Tiroler Piratenpartei war ursprünglich Teil der Bundesorganisation, ist aber ausgeschlossen worden. Warum?

Ofer: Nein, nein. Wir haben mit den Piraten in Tirol 2006 als Unterorganisation angefangen, sind im Laufe der letzten Jahren aber zwei-, dreimal aufgelöst und wieder neugegründet worden. Die Statuten der PPÖ sind dermaßen konfus und hochtrabend. Wir haben uns selber gegründet, mit eigenen Statuten. 

derStandard.at: Warum arbeiten Sie nicht mit der Bundesorganisation zusammen?

Ofer: Die wollen mit uns nicht zusammenarbeiten. Sie verurteilen uns, sie distanzieren sich von uns. Sie sind sauer, weil sie in Tirol Hoheitsgebiet verloren haben. Sie haben keine Landesorganisation im Moment. Das, was sie auf der Webseite publizieren, sind Lügen. Es gibt einige Unterorganisationen in Österreich, die überhaupt nicht aufscheinen. Laut ihren Statuten ist das eigentlich nicht möglich, weil keine Unterorganisationen bestehen dürfen.

derStandard.at: Was ist der Grund für das Zerwürfnis - was ist vorgefallen?

Ofer: Wir wollen mit der PPÖ nichts zu tun haben, das sind Pfuscher. Das sind ein paar Wahnsinnige und meinen sie können Österreichweit die Piratengeschicke lenken. Da sind wir strikt dagegen. Wir haben gesagt, wir wollen eigenständige, kleine Organisationen auf Landesebene, die selbständig agieren können. 

derStandard.at: In einem Artikel im Profil wurde thematisiert, dass die Bundespartei nichts mehr mit den Tiroler Piraten zu tun hat, unter anderem wegen des NS-Verbotsgesetzes, über das in Tirol diskutiert worden sein soll.

Ofer: Das sind leere, haltlose Vorwürfe. Wir distanzieren uns von der PPÖ. Ich weiß nicht, warum wir uns mit denen abgeben sollten. Wir werden sowieso versuchen, die PPÖ anzufechten, weil ihre Statuten haben mit einer Gründung einer Partei schon nichts mehr zu tun. Jede Satzänderung muss in einer periodischen Druckschrift erscheinen, das machen sie nicht regelmäßig, die veröffentlichen das höchstens online. Das ist gesetzeswidrig. Man muss sich anschauen, ob sie überhaupt existieren.

derStandard.at: Und die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes war also nie ein Thema bei den Tiroler Piraten?

Ofer: Überhaupt nicht. Wir sind nicht links, nicht rechts, wir sind ganz normale Menschen, wie jeder andere auch. Wir haben den Tiroler Adler im Logo, das find ich als Vorwurf ziemlich dünn.

derStandard.at: Wieso verwenden Sie den Adler?

Ofer: Weil wir in Tirol sind. Weil er mir gefallen hat. Er schaut piratig aus, zwar altbacken, aber Piraten gibt es schon lange. 

derStandard.at: Was gefällt Ihnen an Piraten - was verbinden Sie damit?

Ofer: Piratenschiffe waren die ersten direkt-demokratisch geführten Betriebe. Am Piratenschiff, wenn es nicht explizit einen Angriff gab, war jeder gleichberechtigt. Jeder Sklave hat dasselbe Stimmrecht wie ein Pirat gehabt. Das finde ich gut. Das sollten wir wieder übernehmen.

derStandard.at: Aber es gab doch auch sehr viel Brutalität.

Ofer: Ja, aber sie haben schon eine Sozial- und eine Rentenversicherung gehabt. Für den Verlust eines Armes hat man einen extra Teil von der Beute bekommen. Im Prinzip hat es also damals schon eine Invaliditätspension gegeben. 

derStandard.at: Was sind die weiteren Ziele der Tiroler Piraten?

Ofer: In zehn Monaten geht es weiter mit den Landtagswahlen, wir müssen ein Budget für den Wahlkampf aufstellen. Wie sagt man in der Computerbranche? Alle sechs Monate verdoppeln - das wäre natürlich optimal.

derStandard.at: Sind die Nationalratswahlen auch ein Thema?

Ofer: Noch nicht wirklich. Wir müssen zunächst eine Mediationsgeschichte mit der PPÖ machen und schauen, wie sich die Zusammenarbeit weiterentwickelt. Das kann man jetzt noch nicht sagen.

derStandard.at: Eine Versöhnung ist nicht ausgeschlossen?

Ofer: Nein. Aber ganz fruchtbar wird es nicht werden. Die Differenzen sind zu groß. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 16.4.2012)