Im Glauben, wenigstens der vom Chefredakteur in seinem "Editorial" gelieferten Inhaltsangabe zur jeweiligen Ausgabe von "News" trauen zu können, wurde im österlichen "Blattsalat" daraus zitiert, und zwar der die Titelgeschichte "Die Entdeckung des Jesus-Grabs" betreffende Satz: "Ein im Detail vermutlich umstrittener, jedenfalls hochinteressanter Befund, garniert mit einer analytischen Gesamtschau unseres Ex-Redakteurs Niki Glattauer".

Einem Leserbrief Herrn Glattauers in der letztwöchigen Ausgabe des Magazins ist zu entnehmen, dass der von "News" veröffentlichte "Befund" offenbar begrenzt "hochinteressant", zweifellos aber "umstritten" war. Glattauer darin: "Nein, ich behaupte nicht, dass 'Jesu Vater ein römischer Legionär jüdischer Herkunft mit Namen Panthera' war. Und dass Maria den 'kinderlosen Bruder von Joseph, Alphäus, zum Mann genommen hat', las ich überrascht zum ersten Mal in letzten NEWS. Noch mehr überrascht hat mich nur, dass 'Die zehn Jesus-Thesen', aus denen diese 'Informationen' stammen, in meinen Text hineingelayoutet waren, wodurch der falsche Eindruck entstand, ich hätte sie verfasst. Habe ich nicht! Ich habe versucht, die Erkenntnisse der modernen Bibelexegese zum Entstehen des Christentums zusammenzufassen, steckbriefartig und respektvoll. Hätte ich 'Zehn Jesus-Thesen' verfasst, wären es andere gewesen - inhaltlich und stilistisch."

Selbst bei gewissenhafter Anwendung moderner "News"-Exegese ist für den Beobachter nicht jedes Mal eruierbar, wann "ein im Detail vermutlich umstrittener Befund hochinteressant" gemacht werden soll, indem man die Garnitur eines anderen Analytikers in ihn "hineinlayoutet". Der Klarheit halber sei hier festgestellt: Kann sein, der Panthera war's - Glattauer war's sicher nicht.

"News" war der Umgang mit der "Gesamtschau" seines "Ex-Redakteurs" keine Entschuldigung wert. Doch werden nun 40 "'Jakobus, Stiefsohn Gottes'-Exemplare" aus dessen Feder verlost.

Keine Ankündigung in seinem "Editorial" war dem Chefredakteur hingegen das Juwel an literarischer Exegese wert, mit dem "Österreichs Paradeintellektueller" - Robert Menasse -, das Magazin als Draufgabe zu einer Besprechung seines Films garnierte. Seine Meinung zu Günter Grass als Poète maudit haben lyrikversessene "News"-Leser zweifellos lange vermisst, und sie war nicht mit letzter Tinte geschrieben!

"Als 'lyrisch' könnte man das, 'Was gesagt werden musste' nur insofern bezeichnen, als es eine Befindlichkeit und Gestimmtheit ausdrückt, die ich literaturgeschichtlich nur von einigen weitgehend vergessenen Beispielen jener Rauschgedichte kenne, die entstanden, als Dichter beim Schreiben mit Drogen experimentierten. Aber auch das stimmt nicht ganz - denn der Anspruch war damals immerhin Bewusstseinserweiterung. Jeder Redakteur jeder Literaturzeitschrift heute hätte dieses 'Gedicht' abgelehnt, ist sich Menasse sicher. Der eigentliche Skandal liegt darin, dass fünfzehn deutsche Zeitungen und fünfundzwanzig Blätter der Weltpresse diesen Text publizierten und ihn sofort mit aufgeregten Kommentaren umrankten". Aber erst "News" musste kommen, um einen "aufgeregten Kommentar" um einen gar nicht erst publizierten Text zu ranken.

Als Lehrmeister der "Weltpresse" scheut Menasse keinen Aufwand, obwohl Grass doch "nicht erst mit diesem 'Gedicht' ein Clown der Medienindustrie geworden ist. Er ist ein gefundenes Fressen für jene Medien, die zynisch oder womöglich ernsthaft glauben, dass ihr Dünnschiss, den sie nach dem Fressen haben, eine wichtige Nachricht in der Rubrik 'Shit happens' ist." Nach dieser Diagnose ist schwer vorstellbar, dass ein "Intellektueller im Sinn des Begriffs" je in einem der Blätter aufzuscheinen wünscht, die noch einen Grass abdrucken.

Diese Sorge rief die Grazer "Kleine Zeitung" auf den Plan. Montag ging dort eine "E-M@IL" an Menasse ab. "Rund eine Woche pirschen Sie als Förster durch den Silberwald, nun aber präsentierten auch Sie in der Causa Grass die Beute. Blattschussmäßig erledigt werden alle Medien, die das Gedicht publizierten, mit hämischer Hinterlist, eh klar. Aber auch der Dichter bekommt die volle Breitseite. Sie reduzieren ihn zum Clown, der eher rauschhaft mit Worten hampelte. Eine Stimme mehr also im schrillen Chor. Aber nicht unwitzig. Ins Horn stießen sie just in einem Medium, das circa jeden dritten Artikel zum Aufreger des Jahres aufdröselt. Unter uns: Derlei Rundumschläge können letztlich leicht an der eigenen Mütze enden. Und das tut ehrlich echt weh." O weh! (Günter Traxler, DER STANDARD, 17.4.2012)