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Auftakt zum Testamentsfälscher-Prozess am Landesgericht Salzburg. In 17 Prozesstagen soll geklärt werden, wer für die Malversationen am Bezirksgericht Dornbirn verantwortlich ist.
Salzburg - 48 Aktenbände, 30 Beiakten, alles zusammen 23.000 Seiten: Fein säuberlich nebeneinander auf Tischen vor der Richterbank gereiht, ergibt das eine acht Meter lange Barriere.
"Ein Bollwerk gegen die Medien", erklärte Richter Andreas Posch zum Auftakt des Testamentsfälscher-Prozesses. Was wie ein Scherz klang, war keiner. Die Akten sollten den Schöffensenat vor dem Ansturm der Fotografen und Kameraleute schützen.
Neun Angeklagte
Auf der andere Seite des Bollwerks die neun Angeklagten mit ihren Anwälten. Dahinter die Privatbeteiligtenvertreter, von elf waren vier gekommen. Von den 158 Geschädigten fünf. Der befürchtete Ansturm aus Vorarlberg war ausgeblieben.
Richter Posch hatte eine gute Nachricht für die Geschädigten: Bei den Angeklagten beschlagnahmtes Vermögen "in nicht unbeträchtlicher Höhe" könnte voraussichtlich noch diese Woche freigegeben werden. Geschätzt wird die Schadenssumme auf zehn Millionen Euro.
Vortrag der Anklage
Der erste von voraussichtlich 17 Prozesstagen gehörte dem Feldkircher Staatsanwalt Manfred Bolter für den Vortrag der Anklage und den fünf Anwälten für ihre Erwiderung. Bolter, der sich die letzten zwei Jahre in die Aktenberge hinein gewühlt hatte, nutzte die neue Technik, projizierte das Foto einer alten Frau an die Großleinwand: Stefanie Hagen, eine Lustenauerin, die 2006 - kurz vor ihrem 100. Geburtstag - verstorben war.
Als Letzte ihrer Familie hinterließ sie ein Millionenvermögen an Liegenschaften. Haupterbe sollte ein Nachbar werden, der die Frau betreut hatte. Doch der ging leer aus.
Ermittlungen gingen an die Substanz
"Und stapfte am 11. August 2007 über die Wiese zu seinem Nachbarn, dem Polizeiinspektor Gerhard Mair", erzählte Bolter. Er verstehe die Welt nicht mehr, alles soll eine vollkommen unbekannte Frau erben, klagte der Mann dem Polizisten. Inspektor Mair machte eine Aktennotiz.
Die Staatsanwaltschaft ließ fünf Gutachten machen, doch die Recherchen verliefen im Sand. Man hätte ja noch nicht gewusst, wo man suchen muss, erklärt Bolter. Bis Anfang 2009 die junge Richterin Isabelle Amann erkannte: "Die Laus sitzt im eigenen Pelz."
Bolter machte kein Hehl daraus, wie ihm die Ermittlungen "gegen die eigenen Leute" an die Substanz gingen: "Das muss man zuerst im eigenen Kopf zulassen. Da war Ungläubigkeit, Fassungslosigkeit." Es taten sich, so Bolter, Dimensionen auf, die keiner erwartet hatte: Verträge, Testamente, Urkundenregister wurden gefälscht.
Schnipseln und kleben
Bolter zeigt Fotos von gefälschten Testamenten, Registern. "Wir haben mit den Fingern gelesen", erzählt er. So habe man die Überklebungen erfühlt. Die Schöffen folgen gebannt den Ausführungen. Ihnen dürfte es so gehen wie vielen Bürgern: "Man glaubt doch, dass alles, was vom Gericht kommt, rechtens ist" (Bolter).
Aus 60 Fakten habe er 16 zur Anklage gebracht, die "größten Stämme" von diesem Wald, den er oft vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen habe. "Das Gefühl, dass die Sache ausrecherchiert ist, hat sich aber nie eingestellt." Denn die 16 Fälle stammen aus den Jahren 2000 bis 2008. " Der Faden in die Vergangenheit ist leider abgerissen", gibt der Staatsanwalt zu verstehen, dass alte Akten verschwunden sein könnten. Und verweist auf den Angeklagten M., einen pensionierten Rechtspfleger, " eine dominante Figur".
Prozess wird fortgesetzt
Jürgen H., der Erstangeklagte, sagt, bei M. "gelernt" zu haben. H. ist geständig. Nun gelte es zu klären, sagt Bolter, ob drei weitere Gerichtsbedienstete mit im Boot waren. Deren Anwälte wiesen dies empört zurück, H. sei ein Lügner, er allein habe die Fälschungen zu verantworten. Sie plädierten auf Freispruch.
Für Amtsmissbrauch, gewerbsmäßigen schweren Betrug und Fälschung drohen bis zu 15 Jahre Haft. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. (Jutta Berger, DER STANDARD, 17.4.2012)