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Zwei Kandidaten üben sich der Pose des Siegers: Der Sozialist François Hollande (links) gilt als Favorit, dennoch warnt er davor, den wahlkampferprobten Amtsinhaber Nicolas Sarkozy (rechts) bereits als Verlierer zu betrachten.
In den letzten Tagen vor dem ersten Durchgang der Präsidentenwahl in Frankreich versuchen die Spitzenkandidaten noch einmal, ihre Anhänger zu mobilisieren und Unentschlossene für sich zu gewinnen.
Im Arbeitervorort die Sozialisten - im historischen Stadtzentrum die Bürgerlichen: Paris war am Sonntag zweigeteilt. In Vincennes östlich der Hauptstadt versammelte François Hollande 100.000 Anhänger, um ihnen zuzurufen: "Ich bin bereit!" Die meisten Umfragen sehen den 57-jährigen Sozialisten als Sieger. Bei Nicolas Sarkozy scheint - wieder einmal - die Luft draußen zu sein, nachdem er in den vergangenen Wochen Boden gut gemacht hatte.
Hollande meinte in einem Interview aber, es wäre "ein moralischer und politischer Fehler", die Wahl bereits für gewonnen anzusehen; dennoch erklärte er selbstbewusst, Regierungsmannschaft und erste Gesetze stünden schon fest. In Vincennes herrschte schon fast Feierstimmung bei Würsteln, Luftballons und Karibikmusik.
Auf dem riesigen Concorde-Platz am unteren Ende der Champs-Élysées gab man sich staatstragend: Dort, wo einst Ludwig XVI. und Maximilien de Robespierre unter der Guillotine endeten, wo aber Sarkozy schon seinen Präsidentschaftssieg 2007 gefeiert hatte, versammelten sich Anhänger des amtierenden Präsidenten, ebenfalls rund 100.000.
"Habt keine Angst, sie werden nicht gewinnen", musste Sarkozy seinen Wählern Mut machen. Hollande werde nicht gewählt, da es sonst in Europa sofort zu einer neuen Finanzkrise kommen würde, erklärte der Wiederwahlkandidat, der seinem Rivalen rhetorisch deutlich überlegen war, inhaltlich aber kaum brillierte. Ein wenig wirkte es, als habe Sarkozy sein Pulver verschossen. Beim Thema Eurokrise führte er aus, im Unterschied zu Hollande habe er in fünf Jahren das Vertrauen der übrigen Europäer gewinnen können; deshalb könne er es sich nun auch herausnehmen, eine "politischere" Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) zu verlangen.
Sarkozy bekräftigte, er wolle die Schengen-Verträge neu aushandeln, um der Immigration Herr zu werden. Das wünsche die schweigende Mehrheit in Frankreich, einem Land, das "keine Weichheit" möge.
"Helft Frankreich!"
Hollande, der sich dadurch direkt angesprochen fühlen durfte, konterte fast zeitgleich in Vincennes: In Frankreich herrsche keine schweigende, sondern vielmehr eine "mutige Mehrheit" - und die sei für den "Wechsel, jetzt!", wie sein Wahlslogan lautet. "Helft Frankreich!", rief der Sozialist zurück Richtung Place de la Concorde, wo Sarkozy wie üblich deklamierte: "Helft mir!"
Die beiden Events bildeten den Höhepunkt vor dem ersten Urnengang am kommenden Sonntag. Die eigentliche Parforceleistung dürfte am Wochenende aber Jean-Luc Mélenchon gelungen sein: Der Links-Kandidat versammelte am Samstag in Marseille im Süden des Landes nach eigenen Angaben 120.000 Anhänger.
Paradoxerweise schöpft daraus gerade Sarkozy Hoffnung, denn der Volkstribun Mélenchon wird dem blassen Favoriten Hollande zunehmend gefährlich. Er kann den Sozialisten zwar kaum aus der Stichwahl verdrängen, ihm aber doch eine Menge Stimmen wegnehmen, sodass Sarkozy eventuell doch noch als Führender ins Finale einziehen könnte - ein wichtiger psychologischer Vorsprung.
Allerdings droht Sarkozy auf seiner Rechten gleiches Ungemach durch Front-National-Kandidatin Marine Le Pen.
Entscheidend könnte die Wahlbeteiligung werden; da weder Sarkozy noch Hollande die Wählermassen zu begeistern vermögen, rechnen viele Politologen mit einer geringen Teilnahme. Und diese dürfte dann eher die Rand- und Radikalkandidaten begünstigen. In der Stichwahl könnte dann die Empfehlung des Zentrumspolitikers François Bayrou den Ausschlag geben. Sowohl Sarkozy als auch Hollande umwerben ihn seit Tagen und bieten ihm dem Vernehmen nach wichtige Ministerposten an. (brä/DER STANDARD, 17.4.2012)