Klagenfurt - Es gibt kaum eine Diskussion, die so sehr von Klischees geprägt ist, wie der öffentliche Diskurs zu Migration. Wenn heute öffentlich über Migrationsfragen debattiert wird, kommt man schnell auf die so genannte Ghettothematik"; beklagt wird die Entwicklung von "Parallelgesellschaften" und die "multikulturelle" Stadt wird für gescheitert erklärt. "Diese Form des Umgangs richtet ununterbrochen Grenzen auf, macht Menschen permanent als 'Fremde' sichtbar und reduziert die Gesellschaft auf 'Wir' und die 'Anderen'. Diese Umgangsweise ist nicht nur politisch fatal, sie versperrt vielmehr den Blick auf eine Vielzahl von Alltagsstrategien und auf die gesellschaftsverändernde Kraft von Migrationsbewegungen", so die Veranstalter der Tagung "Migration bewegt ... und bildet ..." in einer Presseaussendung am Montag. Die Tagung Anfang Mai in Klagenfurt will neuere Perspektiven auf Migration, Diversität und Bildung diskutieren und migrationsgeprägte Entwicklungen betrachten.

Erol Yildiz und Marc Hill vom Institut für Erziehungswissenschaften und Bildungsforschung der Alpen-Adria-Universität möchten mit der Tagung zeigen, dass ein neuer Blick auf die Thematik notwendig ist. In ihrem gemeinsamen Vortrag geht es um "Das Postmigrantische". Yildiz dazu: "Gerade MigrantInnen der zweiten und dritten Generation setzen sich sowohl mit der Migrationsgeschichte ihrer (Groß-)Eltern, als auch mit der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind, auseinander. Sie versuchen andere Geschichten, die bisher nicht erzählt wurden, in das öffentliche Gedächtnis zu bringen. Dieses neue Verständnis nennen wir 'postmigrantisch'."

Das Ende der einen Heimat

"Das Postmigrantische" verweist bereits auf das Ende der Erzählungen von der einen Heimat. Aus einer nationalen Perspektive ist die Frage der Heimat häufig verbunden mit der Frage: "Wo kommst Du her?" Menschen mit so genanntem Migrationshintergrund bekommen diese Frage sehr häufig gestellt. Nach dem Journalisten und Autor Mark Terkessidis, der einen Vortrag auf der Tagung halten wird, sollte es egal sein, woher die Menschen kommen, entscheidend sei doch die Zukunft.

Sein Fazit: "Die historischen Fäden verlaufen in alle möglichen Richtungen. Was existiert, ist die gemeinsame Zukunft. Es ist egal, woher die Menschen kommen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Polis aufhalten. Wenn erst einmal die Zukunft im Vordergrund steht, dann kommt es nur darauf an, dass sie jetzt, in diesem Moment anwesend sind und zur gemeinsamen Zukunft beitragen."

Der Tagungsstandort Kärnten sei für das Thema Migration besonders prädestiniert, so die Veranstalter. Zum einen wird deutlich, dass auch für kleinere Städte und ländlichere Regionen Migrationsbewegungen eine hohe Bedeutung haben und zum anderen befindet sich Kärnten in einer Grenzlage. Durch die EU-Osterweiterung hat sich das südlichste Bundesland Österreichs aus einer europäischen Randlage heraus zu einem transnationalen Knotenpunkt entwickelt. Migration sei hier für die soziale, kulturelle sowie ökonomische Entwicklung ein wesentlicher Faktor. (red, derStandard.at, 16.4.2012)