Wenn man die verschiedenen Piratenparteien in Europa und auch in Österreich betrachtet, dann fällt eines auf: Die neuen Piraten wissen nicht genau, was sie politisch wollen. Sie vertreten viel mehr ein Lebensgefühl als ein Parteiprogramm. Aber in einem zentralen Punkt sind sie sich einig: Das Internet und alle seine Inhalte müssen frei zugänglich und gratis sein. Das ist das, worum es den Piraten wirklich geht.

Aber dieses Anliegen ist weder progressiv noch harmlos, sondern die Aufrechterhaltung eines unhaltbaren Zustands, der noch dazu das Recht bricht.

Schon seit der Erfindung des Buchdrucks wurden Urheberrechte gerne ignoriert, und in der Internet-Ära haben viele dazu beigetragen, dass es als normal gilt, Artikel, Musik und sogar Filme gratis zu konsumieren. Medien finden nur schwer einen Weg, Zahlsysteme für ihre Webseiten durchzusetzen, und der illegale Download gilt vor allem bei Jugendlichen als Kavaliersdelikt. Für dieses Problem gibt es keine einfachen Lösungen, was die heftigen Debatten um das an sich unanstößige Acta-Abkommen erklärt.

Aber aus diesem Dilemma ein Bürgerrecht auf Diebstahl - oder entschädigungslose Vergemeinschaftung - von geistigem Eigentum abzuleiten, wie es die Piraten tun, und im Namen der völligen Transparenz auch noch ein Recht auf Hackertum, führt nicht zu mehr Freiheit, sondern zur gesellschaftlichen Verarmung. Es schadet der Kunst, weil es Künstlern den Lohn für ihre Kreativität raubt, und es untergräbt die Pressefreiheit, weil es unabhängige Medien schwächt.

Die Piraten und ihre Wähler sind meist gebildet und müssten die ethische und wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums eigentlich begreifen. Sie arbeiten oft selbst in kreativen Berufen und wollen auch einen Lebensunterhalt verdienen. Ihr Programm dient bloß dazu, ihre Internet-Privilegien, die sie durch Technologie und verunglückte Geschäftsmodelle gewonnen haben, ohne jedes Unrechtsbewusstsein zu genießen. Das ist genau jene Heuchelei, die Piraten der etablierten Politik gerne vorwerfen.

Vielleicht gelingt es den Piraten noch, sinnvolle Anliegen in ein politisches Programm zu gießen; zumindest in Deutschland geben sie sich Mühe. Beim neuen Innsbrucker Gemeinderat ist hier weniger zu erwarten. Aber eine Bewegung, die Unrecht zu Recht erklärt, ist dazu verdammt, wieder rasch in der Irrelevanz zu verschwinden. Und tut sie es nicht, dann ist sie erst recht gefährlich. (Eric Frey, DER STANDARD, 18.4.2012)