Wien - Auf den ersten Blick hat die Justiz nach dem Auffliegen der Dornbirner Testamentsaffäre prompt reagiert: So wurden von allen Oberlandesgerichten Sonderrevisionen durchgeführt, im Falle Vorarlbergs systematisch alle vorhandenen Originaltestamtente bis zurück ins Jahr 1920 überprüft.

Dem folgte ein bundesweites Maßnahmenpaket für Verlassenschaftsverfahren: Verbesserung der internen Kontrolle, intensivere Dienstaufsicht inklusive Ad-hoc-Prüfungen, strengere Dokumentationspflichten. Per Erlass verbot das Justizministerium 2010 Gerichtsbediensteten, als Verlassenschaftskuratoren zu fungieren. Und am Landesgericht Feldkirch wurde eine eigene "Informationsstelle Testamentsaffäre" für Betroffene eingerichtet.

Erste Ungereimtheiten 2002

Riskiert man einen zweiten Blick, bleiben Fragen offen: Bereits im Juli 2002 hatten ein Notar und zwei Richter Anzeige erstattet, weil in einem Erbschaftsfall in Dornbirn Ungereimtheiten aufgetaucht sind. Der spätere Hauptverdächtige Jürgen H. wurde zwar damals erstmals vernommen - doch die Sache verlief im Sand, das Verfahren wurde mangels Beweisen eingestellt. Es sollte weitere sieben Jahre dauern, bis die eine Dornbirner Richterin die Affäre endgültig ins Rollen brachte. In der Zwischenzeit hatten zwei "Systemrevisionen" (routinemäßig durchgeführt) keinerlei Ergebnis gebracht.

Der damalige oberste Chef der Inneren Revision der Justiz, Josef Bosina, wollte dazu dem Standard gegenüber keine Stellung nehmen. Bosina ist mittlerweile Leiter der Präsidialsektion im Justizministerium, eine der mächtigsten Positionen im Ressort. Über eine Sprecherin ließ er ausrichten, man habe bei der Testamentsaffäre gar nichts finden können, weil die Täter "systematisch, professionell und mit hoher krimineller Energie" vorgegangen seien. Als der Fall dann aufgeflogen sei, habe man ohnehin sofort reagiert.

Kein Qualitätsmanagement bei Innenrevision 

Freilich ist Dornbirn nicht der einzige Fall, wo interne Prüfmechanismen der Justiz nicht griffen: 2010 etwa flog ein Unternehmer auf, der über Jahre hinweg Gerichtsbeamte bezahlt hatte, damit sie ihm im großen Stil Auszüge aus den Exekutionsregistern übermittelten. Bis der Fall aufflog, hatte sich H. auf illegale Weise rund mehrere Millionen Datensätze beschafft und an einen Adresshändler weiterverkauft. Gegen 23 Justizbeamte wurde in Folge ermittelt. Aber auch im Falle des Tierschützerprozesses, der für die Justiz alles andere als optimal lief, gab es keine interne Aufarbeitung.

Das System der inneren Revision sei oft zahnlos, meinen Justiz-Insider. Es fehle Qualitätsmanagement, sagt ein Richter zum Standard: "Niemand kann Fehler zugeben, wenn er nicht gleich ein Disziplinarverfahren am Hals haben möchte." Zwischen dieser, drakonischen, Maßnahme und dem Negieren von Eigenfehlern gebe es nichts. Die Innenrevisionsberichte seien "von enden wollender Aktualität", sagt ein Ministeriumsmitarbeiter, sie befassten sich "primär mit Baufälligkeiten von Bezirksgerichten". (Petra Stuiber, DER STANDARD, 18.4.2012)