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Levon Helm, singender Drummer, beim Newport Folk Festival 2008.

Foto: AP/Joe Giblin

Sein vielleicht berühmtester Auftritt als Sänger und Drummer von The Band in Martin Scorseses gefeiertem Konzertfilm "The Last Waltz" blieb für Levon Helm immer ein Stachel im Fleisch, handelte es sich doch um einen Abschiedsfilm. Die Gruppe, die zuerst Rockabilly-Wüstling Ronnie Hawkins, dann jahrelang Bob Dylan begleitete, hatte mit ihrem ersten eigenen Album "Music from Big Pink" 1968 einen Grundstein für das gelegt, was das "Time"-Magazin mit einer Covergeschichte als "The Sound of Country Rock" würdigte und heute gerne als Roots Rock bezeichnet wird.

Es war der aus Arkansas stammende Helm mit seinem eindringlichen Gesang und einem unverwechselbaren, synkopierten Schlagzeugstil, der dem Americana-Amalgam der sonst aus vier Kanadiern bestehenden The Band zusätzliche Autorität verlieh. So sehr die Gruppe durch den Harmoniegesang dreier gleichberechtigter Sänger bestach, sind einzelne Klassiker wie "Up on Cripple Creek", "The Night They Drove Old Dixie Down" und der definitive Ensemble-Song "The Weight" ohne den "southern drawl" Helms nur schwer zu denken.

Als sich die Originalbesetzung von The Band 1976 in San Francisco vor den Kameras Scorseses mit prominenten Freunden von Muddy Waters und Neil Young bis zu Van Morrison und Dylan von der Konzertbühne verabschiedete, hatte Helm bereits 16 Jahre mit seinen Kollegen Richard Manuel, Rick Danko, Garth Hudson und Robbie Robertson "on the road" verbracht. Ein Weg, der vom berüchtigten, von Rassentrennung bestimmten und eigentlich schwarzen Musikern vorbehaltenen "Chitlin' Circuit" im Süden der USA bis in riesige Konzertarenen auf aller Welt führte.

Noch in den 70er-Jahren nahm Helm mit seinen "RCO All Stars", zu denen unter anderen New-Orleans-Legende Dr. John und der Soul-Gitarrist Steve Cropper gehörten, eine Solo-Karriere in Angriff. Alben wie "American Son" (1980) bestätigten Helm als souveränen Meister in Sachen Americana, ließen aber auch zuweilen das erstklassige Songmaterial vermissen, wie es die besten Alben von The Band auszeichnete.

Robertson, der einstige Songlieferant und Gitarrist von The Band, war nicht mehr an Bord, als sich Helm und seine einstigen Kollegen ab den 80er-Jahren bei Reunion-Tourneen unverändert als bestechende Livemusiker präsentierten und schließlich doch noch drei neue Studioalben, darunter das erfreuliche "Jericho" (1993), einspielten. Daneben überraschte Helm als Schauspieler und heimste für Rollen unter anderem in der Tom-Wolfe-Verfilmung "The Right Stuff" und dem Loretta-Lynn-Biopic "Coal Miner's Daughter" Kritikerlob ein.

Mit dem Tod von Rick Danko im Jahr 1999 fanden nicht nur die Reunion-Projekte von The Band ihr Ende, auch Helms musikalische Aktivitäten schienen mit einer Ende der 90er-Jahre diagnostizierten Kehlkopfkrebserkrankung ihr Ende zu finden. Mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit meldete sich Helm schließlich nicht nur als Studiomusiker für so unterschiedliche Kollegen wie Rufus Wainwright, The Holmes Brothers, Mercury Rev und Norah Jones zurück.

So lud Helm ab 2004 an vielen Samstagabenden im intimen Rahmen seines heimeligen Tonstudios in den Wäldern Woodstocks zu mehrstündigen Konzerten. Zu den Gästen dieser "Midnight Rambles", die sich – oft unangekündigt – als Support Act und Mitmusikanten einfanden, gehörten Elvis Costello, John Hiatt, Bill Frisell, Emmylou Harris, John Scofield, The Black Crowes und Jack DeJohnette.

Unter den Fittichen des einstigen Dylan-Gitarristen und nunmehrigen "Midnight Rambles"-Leaders Larry Campbell veröffentlichte Helm schließlich die beiden Grammy-prämierten Studioalben "Dirt Farmer" (2007) und "Electric Dirt" (2009). Es sollten die besten Alben von Helms Solokarriere werden. Ein letzter "Ramble" Helms ging am 31. März mit Los Lobos als Gästen über die Bühne, weitere Termine für April waren in Planung. Am Donnerstag erlag Helm, für seinen souligen Schlagzeugstil einst mit dem schönen Attribut "Folk Bayou Drummer" versehen, in New York im Kreis von Familie, Freunden und Bandmitgliedern seiner Krebserkrankung. (Karl Gedlicka, derStandard.at, 19.4.2012)