Margarete Czerny (Donau-Uni Krems), Clemens Demacsek (Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum) und Manfred Url (Raiffeisen Bausparkasse, v.l.) forderten am Mittwoch zusätzliche Impulse der öffentlichen Hand.

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In Österreich wird zu wenig saniert. Drei Prozent des Gebäudebestandes sollten jährlich thermisch-energetisch auf Vordermann gebracht werden, um die Klimastrategie der Bundesregierung zu erfüllen. Durch alle bisher getroffenen Maßnahmen - Steigerung der Sanierungsrate im Rahmen der Wohnbauförderung, "Sanierungsscheck" etc. - wurde die Sanierungsrate aber nur geringfügig von 1,0 auf 1,2 Prozent gesteigert.

Wohnbau fehlen zwei Milliarden Euro

Die Drei-Prozent-Quote werde zwar im Gemeinnützigen-Sektor sowie bei Gemeindewohnungen übererfüllt, die dortige Rate von bis zu fünf Prozent könne die Verfehlungen im Bereich der privaten Hausbesitzer aber keineswegs kompensieren, sagte Wohnbauexpertin Margarete Czerny von der Donau-Uni Krems am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Im Segment der Einfamilienhäuser und der Wohnungseigentumsgemeinschaften (Eigentumswohnungen in mehrgeschoßigen Wohnbauten) liegt die Quote bei unter einem Prozent.

Durch die Mittel-Verschiebung innerhalb der Wohnbauförderung vom Neubau zur Sanierung würden überdies neue Probleme generiert, so Czerny weiter: Für einen "bedarfsgerechten" Wohnbau fehlen laut der Expertin mittlerweile rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Dies auch deshalb, weil die heimischen Wohnbaubanken aufgrund des niedrigen Zinsniveaus kaum langfristig günstige Finanzierungen aufbringen können. "Wohnbauförderung und Bausparsystem als wichtige Finanzierungsinstrumente fallen der Budgetkonsolidierung zum Opfer", urteilt Czerny.

"Sanierungsscheck" zieht nicht

In Sachen Sanierung gibt es dann außerdem noch das Problem, dass vorhandene Mittel zu zögerlich ausgenützt werden. Wie berichtet, läuft nämlich auch heuer die "Sanierungsscheck"-Aktion des Bundes zur thermischen Sanierung des Bestands äußerst zäh an. Acht Wochen nach dem Start sind erst 15 Prozent der reservierten Gelder für Private (70 Millionen Euro) ausgeschöpft. Bei der erstmaligen Durchführung der Aktion im Jahr 2009 war zu diesem Zeitpunkt der (etwas geringer dotierte) Topf bereits leer.

Manfred Url, Generaldirektor der Raiffeisen Bausparkasse, räumte am Mittwoch ein, dass mehr getan werden müsse, um "Betroffenheit bei den Eigentümern zu erzeugen". Aber man müsse auch wieder über die Förderbedingungen des Sanierungsschecks neu nachdenken; eine alleinige Erhöhung der Mittel auf beispielsweise 300 Millionen Euro pro Jahr, wie von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bereits angedacht, sei nicht ausreichend, wenn die Nachfrage nach der Förderung im Sinken begriffen sei.

Blick nach Deutschland und Südtirol

Das größte Potenzial schlummert in Ein- und Zweifamilienhäusern, die bis 1970 erbaut wurden, sagte Clemens Demacsek, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (GPH), mit Verweis auf den aktuellen "Baukulturreport". Die Frage, ob in Österreich eine Zwangsverpflichtung zum Sanieren kommen sollte, beantwortete er mit einem Verweis auf Deutschland: Dort wurde mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) vom Juli 2007 erstmals eine Nachrüstungsverpflichtung eingeführt, allerdings nur für alte Heizkessel. Dann habe man festgestellt, dass es hier insbesondere auf eine "technisch logische Reihenfolge" ankomme, erläuterte Demacsek: "Zuerst die Dämmung der obersten Geschoßdecke, dann die Fassade und erst dann Fenster- und Kesseltausch", so sei es richtig.

Die EnEV-Novelle 2009 habe das dann berücksichtigt, damals wurde in Deutschland eine Verpflichtung zur nachträglichen Dämmung der obersten Geschoßdecke eingeführt. Für Ein- und Zweifamilienhäuser gilt diese aber nur im Fall eines Eigentümerwechsels oder eines Mietobjekts.

Dass es auch ohne Zwangsverpflichtung gehen könne, zeige das Beispiel Südtirol, so Demacsek: Dort wurde ein attraktives Anreizsystem eingeführt, das im Wesentlichen aus einer steuerlichen Absetzbarkeit von 55 Prozent der Ausgaben für die energetische Sanierung von Gebäuden vorsah. Auch für Österreich würde sich der GPH-Geschäftsführer solche steuerlichen Anreize wünschen - "insbesondere die Wiedereinführung des Investitionsabsetzbetrags".

Höhere Anreize nötig

Auch Bausparkassen-Generaldirektor Url hält die finanziellen Anreize für zu gering. Bei einer durchschnittlichen Investitionssumme von rund 40.000 Euro und einer durchschnittlichen Förderung von 4.000 Euro käme man mit dem "Sanierungsscheck" unterm Strich "nur" auf einen zehnprozentigen Zuschuss; Analysen hätten aber ergeben, dass es mindestens 30 Prozent bedürfe, um mehr Hausbesitzer zu einer Sanierung zu bewegen.

Einem Entfall des maximalen Förderbetrags von 5.000 Euro stünde Url durchaus positiv gegenüber. Die Bausparkassen als Erstabwickler der Sanierungsscheck-Anträge hätten auch ein gewisses Mitspracherecht, was die Förderbedingungen betreffe, die Entscheidungen würden aber letztlich von den leitenden Beamten der involvierten Ministerien (Wirtschaft und Umwelt) gefällt, erklärte er.

Auch die relativ strikten Bedingungen hält der Chef der Raiffeisen Bausparkasse mittlerweile wieder für kontraproduktiv. Im Jahr 2009 wurde etwa auch der alleinige Fenstertausch gefördert; 2012 muss zumindest eine "Teilsanierung" durchgeführt werden, um förderwürdig zu sein - also beispielsweise Fenstertausch und Dämmung der obersten Geschoßdecke. Hierzu müsse es wieder Änderungen geben, sagte Url.

Einlagen stabil

Fraglich sei auch, wie sich die Kürzung der Bausparförderung - das Sparpaket sieht, wie berichtet, eine Halbierung vor - auf die Finanzierungsvergabe der Bausparkassen auswirke. Im ersten Quartal 2012 konnte mit 722 Millionen Euro sogar noch ein starkes Plus von 15,6 Prozent bei den Finanzierungsvolumina verzeichnet werden; wie es weitergehe, sei aber ungewiss. Url rechnet mit einer Seitwärtsbewegung sowohl bei den Einlagen als auch bei den Ausleihungen der Bausparkassen. In jedem Fall brauche es "einen Impuls, eine Vorwärtsorientierung" von Seiten der Politik. (map, derStandard.at, 18.4.2012)