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Symbole, die in "Anarkias" Graffitis immer wieder anzutreffen sind: Die Schlange, die Frau und der Apfel.

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Panmela Castros Werk in der Street Art Passage im Museumsquartier ...

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... und am Wiener Donaukanal.

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Die Brasilianerin in Berlin.

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Starke Frauen unter sich: Die mexikanische Malerin Frida Kahlo als Motiv.

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Panmela Castro hat sich in den Straßen Brasiliens einen Namen als Graffiti-Künstlerin gemacht. Inzwischen wird sie nach New York, Berlin und Johannesburg eingeladen, um ihre Botschaft in die Welt zu sprühen. In ihrer NGO Rede-Nami organisiert sie Workshops und nutzt Graffitis als Werkzeug, mit dem sie Frauen Selbstwertgefühl vermitteln möchte. Allein im vergangenen Jahr hielt sie gemeinsam mit 30 anderen Graffiti-Künstlerinnen in brasilianischen Favelas etwa 1.000 Workshops ab. Im Vordergrund stehen der Einsatz gegen häusliche Gewalt und das Aufbrechen männlich dominierter Machtstrukturen.

Schön, frei und verrückt

"Linda, libre & loka" (Schön, frei und verrückt) nannte sie die Masterarbeit für ihr Kunststudium an der staatlichen Universität von Rio de Janeiro. "Es ist ein feministischer Slogan, den ich auf Graffitis in Portugal entdeckt und übernommen habe, da die Worte meine Arbeit und meine Wahrnehmung von Frauen gut widerspiegeln", erklärt die 30-Jährige.

Anfang April war Castro in Wien, wo sie im Museum Moderner Kunst (MUMOK) Jugendlichen einen Workshop über "feministisches Graffiti" gab und die Street Art Passage im Museumsquartier mit einem Werk verschönerte. Auch den bereits kolorierten Donaukanal nutzte sie als Fläche für eine gemeinsame Arbeit mit einem österreichischen Kollegen.

"Frauen sind kein Eigentum der Männer"

Vor zwei Wochen nahm sie in New York den Diane von Fürstenberg Human Rights Award für ihre Arbeit gegen häusliche Gewalt in Brasilien entgegen. Es gehe nicht darum, alle Männer ins Gefängnis zu stecken, sagte Panmela Castro in ihrer Dankesrede. "Aber Frauen dürfen nicht mehr als Eigentum von Männern betrachtet werden." Heuer wurde sie als eine der "150 Frauen, die die Welt bewegen" nominiert, zusammen mit der ersten brasilianischen Präsidentin Dilma Roussef und US-Sängerin Lady Gaga.

"Wenn dich ein Mann schlägt, verlass ihn"

Bevor sie sich an ihre ersten Gemälde machte, begann sie wie viele Graffiti-Künstler mit "Tags", sprühte also als Jugendliche möglichst kunstvoll ihren eigenen Name oder das Pseudonym Anarkia Boladona an die Wand. "Den Graffiti-Namen 'Anarkia' habe ich gewählt, weil ich ziemlich konservativ aufgewachsen bin und mich stets nach Freiheit und Unabhängigkeit gesehnt habe", erzählt Castro, deren Mutter ihr aus Angst vor Drogen und ungewollten Schwangerschaften jegliche Partyausschweifungen verbot.

Das starke Verlangen, über sich selbst zu bestimmen, sei aber wiederum durch ihre Mutter beeinflusst worden. "Meine Mutter sagte mir immer: Wenn dich ein Mann schlägt, verlass ihn!" Den eigenen Ratschlag hatte diese bei ihrem ersten Ehemann dann auch selbst befolgt. Ihre Überzeugung gab sie an Panmela und ihre zweite Tochter weiter.

Umdenken in der Hip-Hop-Szene

Dass sich Panmela Castro zum Lebensziel gemacht hat, patriarchale Muster aus Subjektivität, Sexismus und Machtgefüge aufzubrechen und die intellektuellen und künstlerischen Fertigkeiten von Frauen zu stärken, hat diverse Ursachen. Unter anderem, dass auch sie häusliche Gewalt erlebt hat. Der erste "Ausrutscher" ihres Mannes blieb aber der einzige. Nach drei Jahren Ehe reichte sie die Scheidung ein.

"Ich habe die Macho- und Macht-Allüren von Männern satt und möchte Frauen vermitteln, dass sie sich durchsetzen können und müssen", sagt Castro. "Noch immer werden Mädchen in Brasilien zum Gehorsam dem Mann gegenüber erzogen. Wichtig ist, dass wir die Rolle der Frau in der Gesellschaft ändern." Der Umdenkprozess begann in der Hip-Hop-Szene. Dort konfrontierten sie feministische Freundinnen erstmals mit einer neuen Weiblichkeit und der Möglichkeit, sich über die Verhaltensnormen hinwegzusetzen, die bisher für sie als normal galten.

Graffitis als Männerdomäne

Die Entscheidung, sich für ihr Engagement gerade Graffiti als Werkzeug anzueignen, machte es ihr anfangs nicht leicht. Wie auch heute noch war die Graffiti-Szene damals eine Männerdomäne. Aber sie sei ein Dickkopf, sagt Castro, und verschaffte sich durch ihre Arbeit Respekt.

Panmela Castro ist nicht zufällig zur Spraydose gekommen. Sie hat gezielt nach einer Methode gesucht, ihre politischen Überzeugungen sichtbar zu machen. "Urban Art Networks" erschienen ihr dazu geeigneter als Flugblätter oder Vorträge. "Ein Bild an der Straßenecke ist für alle, die daran vorbeigehen, sichtbar. Es hat eine ganz andere Kraft und Anziehung", betont sie und meint, dass Papier weniger Überzeugungsarbeit leistet.

Entkriminalisierung von Abtreibungen 

Von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff lasse sich im Engagement für Frauenrechte nicht viel erwarten, sagt Castro, eher in wirtschaftlicher Hinsicht. Allerdings sei sie als weibliches Staatsoberhaupt ein gutes und wichtiges Symbol für die Chancen, die Frauen im Berufsleben offenstehen.

Bei einem weiteren Thema, das 'Anarkia' beschäftigt, hat sich mittlerweile etwas getan: Am 12. April stimmte der Oberste Gerichtshof in Brasilien mehrheitlich für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im Fall von Anenzephalie. Bei diesem speziellen Fall der Behinderung fehlen bei Föten große Teile des Gehirns und die Schädeldecke. Die Babys seien nach allgemeiner medizinischer Meinung nicht lebensfähig.

Viele Frauen würden derzeit noch aufgrund des restriktiven Abtreibungsgesetzes bei illegalen Operationen sterben, sagt Castro. Erlaubt ist in Brasilien seit 2009 auch das kunstvolle Besprühen von Hausfassaden, während in den meisten Ländern Graffitis verboten sind. (Eva Zelechowski, daStandard.at, 19.4.2012)