Brüssel - Die fünfzehn Staats- und Regierungschefs der EU und ihre Amtskollegen aus den zehn Beitrittsländern wollen am kommenden Freitag bei einem Gipfeltreffen in Saloniki den weiteren "Fahrplan" für den Abschluss der Arbeiten an der ersten europäischen Verfassung erörtern. Konvents-Präsident Valery Giscard d'Estaing wird den 25 Regierungschefs in Gegenwart des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pat Cox, den Entwurf des Konvents vorlegen, der noch in einigen Teilen überarbeitet werden muss.

Eine Aussprache zur Substanz der Vorschläge ist nicht zu erwarten, hieß es im Vorfeld des Treffens in Brüsseler Diplomatenkreisen. Die Gipfelteilnehmer werden den Entwurf nur zur Kenntnis nehmen und den weiteren Weg abstecken. Allerdings gibt es da bereits einige Unstimmigkeiten. Entschieden werden muss zunächst, ob der Konvent seine Arbeiten bis Mitte Juli verlängern darf. Ursprünglich war der Saloniki-Gipfel als Enddatum festgesetzt worden. Dieses Datum konnte aber nicht voll eingehalten werden. Insbesondere die Fragen der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im EU-Rat und des Verfahrens für künftige Verfassungsänderungen sind noch nicht abschließend geklärt. Während mehrere Länder dafür eintreten, den unvollendeten Entwurf an die Regierungskonferenz weiter zu geben, möchten andere auf den Wunsch des Konvents eingehen und ihn beauftragen, seine Arbeit bis Mitte Juli abzuschließen.

Offener Zeitrahmen

Offen ist auch noch der Zeitrahmen für die Regierungskonferenz, die den Entwurf endgültig beschließen muss. Voraussichtlich werden die Regierungsvertreter der 25 Länder den Auftrag erhalten, die Verhandlungen Mitte Oktober zu eröffnen, ein konkretes Datum für den Abschluss dürfte dagegen in Saloniki laut EU-Ratskreisen nicht beschlossen werden. Zumindest scheint weitgehende Einigkeit zu bestehen, die zwischenstaatliche Konferenz vor den nächsten Europa-Wahlen vom 10. bis 13.Juni 2004 zu beenden. Die zehn Beitrittsländer werden bereits gleichberechtigt an der Regierungskonferenz teilnehmen und sollen das Ergebnis zusammen mit ihren 15 EU-Kollegen nach dem 1. Mai 2004 unterzeichnen. Anschließend muss die erste europäische Verfassung von den Parlamenten der 25 Länder ratifiziert werden.

Noch unklar ist die Gestaltung der Verhandlungsführung. Zwar dürften die EU-Staats- und Regierungschefs die Gesamtverantwortung erhalten, in der Regel sollten die Verhandlungen aber auf Außenminister-Ebene geführt werden.

Streitpunkt Machtverteilung

Während Deutschland und Frankreich die Regierungskonferenz so rasch wie möglich abschließen und dabei den Entwurf als "gute Grundlage" möglichst unverändert übernehmen wollen, wollen vor allem die 16 kleineren "gleichgesinnten" kleineren Länder, aber auch Großbritannien und Spanien noch einige Konzessionen bei der Regierungskonferenz herausholen, bei der jedes Land ein Vetorecht hat. Umstritten sind vor allem die künftige Machtverteilung zwischen den EU-Institutionen - Ministerrat und Kommission - und die neuen Bereiche, auf die die Mehrheitsentscheidungen im Rat ausgedehnt werden sollen. (APA)