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Zu den bekanntesten Flüchtlingshelfern gehörte der Polizeihauptmann Paul Grüninger.

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Bern - Schweizer Flüchtlingshelfer zur Zeit der Naziherrschaft in Deutschland sollen rehabilitiert werden. Der Nationalrat in Bern hat am Mittwoch ohne Gegenstimme ein von dem sozialdemokratischen Abgeordneten Paul Rechsteiner initiiertes Gesetz verabschiedet. Mit der Umsetzung betraut wurde die neunköpfige Begnadigungskommission des Bundesparlaments. Ursprünglich hatte der Nationalrat eine eigene dreiköpfige Rehabilitierungskommission mit einem Historiker vorgeschlagen. Die zweite Kammer, der Ständerat, hatte dies jedoch am vergangenen Freitag aus Kostengründen abgelehnt.

Zu den bekanntesten Flüchtlingshelfern gehörte der Polizeihauptmann Paul Grüninger (1891-1972). Er hatte 1938 und 1939 jüdischen und anderen Flüchtlingen aus Deutschland und Österreich unter Missachtung von Weisungen der eidgenössischen Behörden die Einreise in die Schweiz ermöglicht. 1939 wurde er deswegen fristlos entlassen und 1941 gerichtlich verurteilt. Erst 1995 erfuhr er posthum durch einen Freispruch des St. Galler Bezirksgerichts eine Rehabilitierung.

Ermöglichte Einreise

Grüninger, der sich nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst als Regenmantelverkäufer und Schweinefuttervertreter mühsam über Wasser hielt, hatte rund 3000 Flüchtlingen aus Nazideutschland (und dem annektierten Österreich) die Einreise ermöglicht. 1938 war von Bern eine Weisung erlassen worden, wonach jüdische Flüchtlinge nicht mehr in die Schweiz einreisen durften, sondern in das Deutsche Reich "zurückgeschafft" werden mussten. Er fälschte Listen und Einreisedaten; durch Denunziation wurde seine Praxis aufgedeckt.

Kein Anspruch auf Schadenersatz

Das neue Gesetz soll die Flüchtlingshelfer mit der Aufhebung der heute als ungerecht empfundenen Strafurteile vollständig rehabilitieren. Einen Anspruch auf Schadenersatz erhalten sie nicht. Die Begnadigungskommission prüft auf Antrag hin oder von Amtes wegen, ob ein früher gefälltes Urteil unter das Gesetz fällt. Die Aufhebung gefällter Urteile soll nicht einer Kritik an der damaligen Justiz gleichkommen. Auch sollen keine Prozesse neu aufgerollt werden. Die damals gefällten Urteile seien in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Recht gefällt worden.

Nur schweizerisch beherrschte Institutionen mit Sitz in der Schweiz können Gesuche einreichen. Auf diese Weise soll Rehabilitierungsgesuchen von ausländischen Organisationen vorgebeugt werden. Man wolle keine Gesuche von US-Anwälten, hatte die ständerätliche Kommission argumentiert. Auch soll niemand gegen den Willen eines damals Verurteilten ein Rehabilitierungsgesuch stellen dürfen. Gesuche werden nach Inkrafttreten des Gesetzes nur innerhalb einer Frist von maximal acht Jahren zugelassen.

Fremde Kriegsdienste

Endgültig vom Tisch ist damit auch die Rehabilitierung jener Schweizer, die im Spanischen Bürgerkrieg oder in der französischen Resistance gegen Faschismus und Nationalsozialismus gekämpft hatten. Rechsteiners parlamentarische Initiative hatte dies ursprünglich verlangt. Dies war vom Ständerat jedoch deutlich abgelehnt worden. Die kleine Kammer berief sich dabei auf das Verbot fremder Kriegsdienste. Dieses gelte aus guten Gründen auch weiterhin, wie subjektiv ehrenhaft die Motive auch gewesen sein mögen. (APA/sda)