Für linke Querdenker erhärtet sich oftmals der Eindruck, dass linke Dogmatiker und Dogmatikerinnen die Sprache so ausgestalten möchten, dass rassistische Diskurse verunmöglicht werden.

Worthülsen helfen nicht weiter

Rassistisches Gedankengut wird wohl in keiner Gesellschaft völlig aus der Welt zu schaffen sein. Jedoch hat eine fortschrittliche Politik, die Veränderung der Gesellschaft zum Positiven, zum Liberalen, zum offenen Weltbild hin zum Ziel. Was hat hier eine Diskussion über Definitionen, die zur Unterscheidung verschiedener Ethnien, Gruppen und Lebenswelten geschaffen wurden, eigentlich verloren?

Polemisch ausgedrückt wird ein(e) RassistIn nicht durch ständige Kreation neuer Wörter zum Gutmenschen, sondern durch inhaltliche Auseinandersetzung und Selbsterkenntnis. Ständige mediale und akademische Bombardierung von neuen Wortschöpfungen, die letztendlich ohnehin von RassistInnen negativ konnotiert werden (beispielsweise von "Gastarbeiter", "Ausländer" und "Migrant") fördern intellektuelle, bildungsbürgerliche Auseinandersetzungen. Rassistische Diskurse, zwischenmenschliche Probleme und gesellschaftspolitische Ausdifferenzierungen durch Exklusion und Inklusion werden in jeder Gesellschaft trotzdem ihren Weg in die Öffentlichkeit finden.

Zwischenmenschliches Verständnis und Empathie muss wachsen

Eine zum Vorteil der Mehrheit aller BürgerInnen entschiedene Realpolitik und antifaschistische Gesellschaftspolitik sind nicht im Wörterbuch zu finden, sondern durch wachsendes, zwischenmenschliches Verständnis - und durch Empathie.

Das Problem dabei ist nicht, dass linke DogmatikerInnen kein zwischenmenschliches Verständnis entwickeln könnten. Oft fallen sie eher durch bildungsbürgerliche Überheblichkeit, Negierung von Ängsten und Verurteilung von faschismusanfälligen Menschen auf. Wenn dann rechte Populisten wie Jörg Haider oder HC Strache durch Empathie, zwischenmenschliche Stärke und im direkten Überzeugungsgespräch punkten können, dann wird dem Ganzen die Überschrift "Populismus" gegeben und verteufelt.

Übersehen wird dabei, dass Empathie, soziale Intelligenz und zwischenmenschliche Stärke unerlässlich sind, um politische oder gesellschaftliche Mehrheiten zu schaffen. Selbst Politik-Quereinsteiger wie Franz Vranitzky konnten nur klare Mehrheiten schaffen durch (in seinem Fall) Verständnis für gesellschaftlich liberale Menschen und andererseits gesellschaftspolitisch linke DogmatikerInnen, ohne gleichzeitig ökonomisch keynesianisch geprägte Menschen unversöhnlich zu verärgern. Dabei galt Vranitzky nie als Mensch, der besonders durch zwischenmenschliche Stärke aufgefallen wäre.

Linke Wahlbegründung überdenken

Progressive Gesellschaftspolitik und Wahlen werden nicht durch Definitionen entschieden. Es braucht eine offene, zuversichtliche Stimmung um linke Politik durchsetzen zu können.

Um diese Stimmung dauerhaft festsetzen zu können müssen anders als unter der Ära Kreisky nachhaltige, ideologische Fundamente in den Köpfen der Menschen Fuß fassen können. Vorteile, die Bevorzugung bei der Vergabe von Gemeindewohnungen oder Jobs dürfen auf Dauer nicht einziger Ansporn sein, um links zu wählen, sonder das ideologische Fundament muss erste Antriebsfeder des Wahlverhaltens sein! Und da wären wir wieder bei den Definitionen: Definitionen sind für die Bildung des sozialdemokratischen Fundamentes unerlässlich und wichtig. Definitionen und Diskussionen um Wortschöpfungen können das ideologische Fundament nachhaltig verändern und formen. Definitionen sind im besten Fall ein Werkzeug - aber weder das Fundament - noch die Lösung von gesellschaftlichen Problemen.

Bei den meisten Menschen im Wirtshaus ist letztendlich überwiegend Empathie und Sinn für die persönlichen Probleme wesentlich. Dort ist es nämlich "wurscht"- ob sie jetzt über die "Ausländer", die "Gastarbeiter" oder die "Migranten" schimpfen.

Ein gemeinsames Bier mit dem "Tschusch" löst da viel eher jegliches Problem - als bildungsbürgerliche, akademische Diskussionen. (Willibald Heimlich, derStandard.at, 11.5.2012)