Nach seinem legendären Ö3-"Wecker" schlurfte er – vom Sendestudio kommend – immer unüberhörbar vorbei an unseren "Redaktionskammerln" über den schmalen Gang im vierten Stock des denkmalgeschützten Funkhauses im vierten Bezirk in Wien. Schlabberlook, wallendes dunkelblondes Haar, die Brillen ein wenig verrutscht, müde und brummend: Dieter Dorner, Mann der frühen Ö3-Stunden. Revolutionär, anders.

Viel, viel früher, in weniger religiösen Zeiten, war er Damen gegenüber aufgeschlossen, manchmal kam er mit einer geleerten Flasche in der Hand aus dem Studio, und als die Haare noch kürzer und der Mann adretter und noch Junggeselle war, war er äußerst umtriebig, so wie viele der damaligen "wüden Horde von Ö3" (Gerd Bacher).

Irgendwann rund um die Gründung seiner Familie kam dann die totale innere Wandlung: Haare länger, Stimme sanfter, Osterurlaube stets am Berg Athos und Bioweinbau. Als mein Vater verstarb, schenkte ich ihm aus unserer Kellerei Messingpipen zum Ablassen des Weines aus den Fässern. Er war überglücklich über diese so nicht mehr erhältlichen historischen Utensilien.

So sehr ich mit Dieter – meinem damaligen Chef – gut ausgekommen war, so sehr hatte es später zwischen Heinz Prüller- meinem damaligen Ehemann und Leiter des Sport-Hörfunks – gekracht. Heinz, seiner Liebe zum Sport alles bedingungslos unterordnend, konnte und wollte nicht verstehen, dass Dieter in seiner Funktion als als Ö3-Chef sehr deutlich zeigte, dass Sportübertragungen und alles damit Zusammenhängende ihm letztendlich völlig egal waren. In einer Redaktionssitzung sprach Dieter also über die Übertragung der Tennismatches des "David-Cups" – er hatte wohl wieder mehr Religiöses im Sinn. Heinz war außer sich! Er wollte diese Schmähung einer weltbekannten Sportveranstaltung, des Davis-Cups, nicht so hinnehmen.

Wenige Tage später stürmte Heinz überraschend in Dieters Büro. "Dieter, hier, schau, was in einer Aussendung der Austria Presse Agentur steht: Neue Streckenlegung der Akropolis-Rallye! Sie wird jetzt über den Berg Athos geführt." Dieter wurde angeblich blass und soll tief geseufzt haben: "Naaaaaa! Die armen Mönche!" Diese Schrecksekunde und das Bangen um seine geliebten Mönche hatten Heinz mit diebischer Freude erfüllt ...

Doch der nächste Eklat ließ nicht lange auf sich warten: "Warum müssen wir beim Fußball immer bis zur 90. Minute übertragen?", fragte Dieter in einer der nächsten Redaktionssitzungen. "Bei den Skifahrern hören wir doch auch ab dem 30. Startplatz auf ..."

Über den Rest der zwischenmänn(sch)lichen Kommunikation breite ich den Mantel des Redaktionsgeheimnisses.

Dieter hatte das "Goldene Mikrofon" verliehen bekommen, und als auch ich es später erhielt, war es ihm sehr wichtig, mich stolze junge Ö3-Journalistin und Ö3-"Wecker"-Kollegin darauf hinzuweisen, diese Auszeichnung zwar zu schätzen, aber sie gleichzeitig als unwichtig zu betrachten. Danke, "Dieterle", so habe ich ihn genannt.

Dieter, die Legende, wird immer in meinem Herzen sein; eine Persönlichkeit seines Formates und seines Eigenlebens mit seinem starken sozialen Engagement wäre auch für die heutige schnelle und gestreamlinte Radiowelt und den österreichischen Journalismus eine großartige Bereicherung. Dieter, du fehlst uns. Ich werde dich vermissen. (Nora Frey, derStandard.at, 19.4.2012)