Die britischen Soldaten gingen nach dem Zweiten Weltkrieg gegen jüdische Immigranten in Palästina mit ganzer Härte vor: Szene aus dem TV-Vierteiler "Gelobtes Land".

Foto: Arte/Laurie Sparham

Wien - "Heute ist der schlimmste Tag in meinem Leben", schreibt Len in sein Tagebuch. Es ist der 21. April 1945. Die in Bergen-Belsen abkommandierten Soldaten begraben täglich 1500 Leichen.
Szenenwechsel. London, ungefähr 65 Jahre Jahre später: Am Tag vor ihrer Abreise nach Israel bekommt die 18-jährige Erin das Buch ihres Großvaters in die Hände. Erin begleitet ihre israelisch-stämmige Freundin, die Militärdienst leisten muss und für zwei Jahre in das ihr fremd gewordene Land reist. Erin kommt zum Ausspannen und Feiern. Doch das Tagebuch lässt sie nicht mehr los, und so kommt alles anders. 

Immer tiefer kippt die junge Frau im Vierteiler Gelobtes Land in die Zeilen und lässt sich gleichzeitig in die brutale Gegenwart des Nahostkonflikts verstricken. 

Die Rolle der britischen Armee während der Landnahme der Israelis in Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein in Großbritannien weitgehend unbeachteter Teil der Geschichte. Der jüdische Regisseur Peter Kosminsky arbeitet das heikle Kapitel in Form einer Parallelgeschichte auf und ermöglicht den Brückenschlag von der Vergangenheit in die Gegenwart.

Ausgangssperren

Über Paul lernt Erin die andere Seite des Landes kennen. Er bringt sie in die besetzten Gebiete. Sie erhält Einblick in geheime Zellen der palästinensischen Friedensbewegung und wird mit Selbstmordattentaten konfrontiert. 

1945 waren britische Soldaten als Mitglied der Alliierten Befreier. In Israel sind sie verhasste Besatzer, die Ausgangssperren verhängen, Kampfhandlungen anordnen und sich schließlich mit Vergeltungsanschlägen der jüdischen Guerillagruppe Irgun konfrontiert sehen: "Gewiss muss ich Ihnen nicht sagen, wer zwischen den Fronten steht", bekommen die rund 100.000 in Haifa stationierten Soldaten zu hören, die streng darauf zu achten haben, dass "die Quote" der ins Land strömenden Juden, die eben dem Grauen des Holocaust entronnen sind, eingehalten bleibt. Der Gewissenskonflikt ist unlösbar.

Akribische Recherche

Elf Jahre dauerte die Arbeit zum Film. Kosminsky ("Wuthering Heights", "White Oleander") recherchierte akribisch und setzte die Ergebnisse ebenso sorgfältig um: Mehr als 80 Interviews führten zu 68 Drehtagen an mehr als 180 Plätzen. Am Anfang habe es sie noch gegeben, die Gewissenskonflikte gegenüber dem Volk, das durch die Shoah ging und jetzt einen Platz suchte, an dem es ohne Gefahr ein neues Leben aufbauen kann. "Aber wenn du täglichen Angriffen der jüdischen Resistance ausgesetzt bist, ändern sich deine Gefühle", signalisierte Kosminsky in Interviews Verständnis für die Besatzer.

Kritik

Die an Erins Geschichte dargestellte Kritik an der gegenwärtigen Politik Israels löste in Großbritannien prompt Diskussionen aus: Kosminsky betreibe schlimmste antiisraelische Propaganda, lauteten Vorwürfe. Es gehe darum, Israelis zu dämonisieren. Channel 4 hielt zu Kosminsky. Der Film sei eine "Bereicherung zur britischen Berichterstattung über den tragischen Konflikt". Zu sehen diesen und nächsten Freitag, 20.15 Uhr. (Doris Priesching, DER STANDARD, 20.4.2012)