Albert Neumeister (im Hintergrund, mit schwarzem Anzug) hat es wieder getan:

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mit dem eben erst 20 gewordenen Harald Irka als Küchenchef macht er seine Saziani Stub'n erneut zu einem kulinarischen Brennpunkt.

Foto: Gerhard Wasserbauer
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>>>Zum Artikel: Hypernatürlich Kochen

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Wie es dazu kam, dass Albert Neumeister einen kaum 20-jährigen, frischg'fangten Abgänger der Hotelfachschule zum Küchenchef seiner Saziani-Stub'n machte, und wie die beiden ihre Linie entwickelten, ist hier nachzulesen. Hier soll es ums Essen gehen, das dieser Harald Irka fabriziert.

Die Speiskarte ist in drei Menüs gegliedert, die aus je fünf Gerichten bestehen. Sie sind um je 57 Euro zurückhaltend kalkuliert, man kann aber auch nur drei oder vier Gänge auswählen. Keine der Speisefolgen kann als vegetarisch durchgehen, dennoch spielt Gemüse in allen eine tragende Rolle. Herkömmliche Luxusprodukte, wie sie hier einst die Regel waren (und bis heute die Karten vieler Edelrestaurants bestimmen), wird man kaum finden.

Dafür wird den Feinheiten und Nuancen nachgespürt, die sich etwa aus der Zwiebel und ihren Häuten schälen lassen - in Form einer in ihrer Vielfalt durchaus fordernden Komposition aus sauer eingelegter, satt geschmorter, knusprig frittierter und zartsüß gebackener sowie gerösteter und mit Tapioka-Perlen kombinierter Zwiebel und/oder Schalotte, die die Bandbreite dieser so bescheiden auftretenden Knollen auf vielschichtige, erfrischende Weise interpretiert.

Milch in vielfältiger Form

Oder, endlich einmal, in Form verschiedener Gerichte, bei denen gerade Milch in vielfältiger Form und Finesse zum Einsatz kommt. Dieses ebenso essenziell mit dem österreichischen Heimatbegriff assoziierte wie gerade hierorts oft nachlässig behandelte Lebensmittel spielt in Irkas Kreationen erfreulich oft eine Rolle. Manchmal - wie bei der Vorspeise aus gestockter Rohmilch - im Zentrum der Komposition (Bild links unten), wo sie als fragile, ätherisch süß anmutende Creme von ganz jungen, herben Fichtenwipfeln und explosiv nach Cassis schmeckenden Ribiselblättern in Szene gesetzt und mit sauerfruchtigem Blutampfersud konterkariert wird, dass man gar nicht weiß, wohin mit den Frühlingsgefühlen. Ein andermal eher hinterrücks, wie beim kurz in Grüntee pochierten Spinat von fleischig saftiger Konsistenz, dem ein Hauch von Ziegenfrischkäse und Buttermilch jene beglückend surrende Säure vermittelt, an die man noch Tage später zurückdenkt.

Auch bei geeistem Schafsjoghurt spielt Irka virtuos mit Kontrasten. Da ist extrem knackiger Stangenzeller dabei, dessen herber Chlorophyll-Ton sich erfrischend mit einer Idee Minzöl verbindet, die von ein paar extrasüßen, extrazarten Erbsen kontrastiert werden.

Dass der junge Mann auch die Garpunkte exakt im Griff hat, zeigt er bei der souverän an den Glaspunkt gedämpften Forelle (oben), die mit Löwenzahnkapern, Löwenzahn, knuspriger Forellenhaut und schwarzen Nüssen forsch und doch stimmig kombiniert wird.

Achtsamkeit und Sensibilität

Es ist eine fordernde Idee vom guten Essen, die hier präsentiert wird, in der selbst das, was anderswo als Abfall gelten würde - etwa die nussig würzigen Stiele der Brunnenkresse - auf stringente Weise eingebaut wird.

Es ist aber auch eine sehr schmeichelnde Art, mit der der Gast dazu eingeladen wird, das Glück vielleicht auf einer Seitenstraße des feinen Essens zu entdecken. Es ist, vor allem, eine mutige - und ermutigende - Art, wie hier gezeigt wird, dass es keine wichtigeren Ingredienzen eines edlen Essens gibt, als Achtsamkeit und Sensibilität.

Wenn das in so einem entlegenen Winkel des Landes so toll funktioniert, dann kann es doch keinen vernünftigen Grund geben, warum sich nicht mehr Köche von ihrem Mut leiten lassen, statt immer nur von der Sorge, ihren Gästen bloß ja nicht zu viel zuzumuten. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 20.4.2012)