Wien - "Stillen wissenschaftlich": Neue Forschungsergebnisse belegen in immer größeren Details die positiven Auswirkungen der Muttermilch. Das reicht von schützenden Effekten gegen schwerste Darmentzündungen bei Frühgeborenen bis zur Immunologie, hieß es am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien anlässlich eines internationalen Symposiums zu dem Thema.

"Die Laktation und das Stillen haben sich bei den Säugetieren zuvorderst als Schutzmechanismus gegen Krankheiten entwickelt. Erst dazu kam die Ernährung", sagte Peter Hartmann von der University of Western Australien. Mit 400 verschiedenen Proteinen als Inhaltsstoffe und einer im Vergleich zur Muttermilch anderer Säugetiere deutlich gesteigerten Konzentration an Mehrfachzuckern sei die Muttermilch des Menschen offenbar einzigartig, betonte Lars Bode von der University of California in San Diego (USA).

Bode: "Ein Liter menschlicher Muttermilch beinhaltet zehn bis 15 Gramm dieser Oligosaccharide. Das ist mehr als an Proteinen enthalten ist. Bisher wurden mehr als hundert solcher Mehrfachzucker identifiziert. Sie haben auch antimikrobielle Eigenschaften." Das dürfte auch der Grund sein, warum gestillte Babys weniger häufig schwere Darmprobleme entwickeln. Der Experte: "Frühgeborene, die mit künstlicher Babymilch ernährt werden, erkranken sechsmal häufiger an nekrotisierender Darmentzündung (NEC, Anm.) als gestillte Frühgeborene. Es handelt sich dabei um eine lebensbedrohliche entzündliche Darmerkrankung, die fünf bis zehn Prozent der Frühgeborenen entwickeln und eine Mortalität von 25 Prozent aufweist." Babynahrungs-Hersteller versuchten zwar, die Zusammensetzung ihrer Produkte möglichst an jene der natürlichen Muttermilch anzupassen, doch viele der Inhaltsstoffe seien für den Menschen typisch, gäbe es weder in der Milch anderer Säugetiere oder aus Pflanzen.

Quelle für Stammzell-Therapien

Erst in der jüngsten Vergangenheit wurden weitere Aspekte der Laktation entdeckt. Die australische Expertin Foteini Hassiotou (University of Western Australia": "Wir haben in der Muttermilch Stammzellen entdeckt, die in ihren Eigenschaften den embryonalen Stammzellen ähneln. Das könnte eine Quelle für zukünftige Stammzell-Therapien sein."

Noch erheblichen Forschungsbedarf gibt es in der Frage, welche künstlichen Substanzen vom Organismus der Mutter in die Muttermilch gelangen - und in welcher Konzentration. Hier geht es vor allem um Arzneimittel. Tom Hale von der Texas Tech University School of Medicine: "Wir schätzen, dass es nur für rund ein Drittel der Medikamente Daten über die zu erwartende Konzentration in der Muttermilch gibt. Oft sind es nur geringe Spuren, aber man sollte wissen, welche Arzneimittel man bei jungen Müttern einsetzen darf und welche nicht. Klar ist, dass gesündere Mütter auch gesündere Babys haben. Also sollte man deren Krankheiten, zum Beispiel Depressionen etc., auch wirklich behandeln." Das Symposium wird von "Medela" organisiert - ein Unternehmen, das Produkte rund um das Stillen erzeugt. (APA, 21.4.2012)