Wien - Das gesamte Stadtgebiet des antiken römischen Militärlagers Carnuntum im heutigen Niederösterreich wird nun mit Hilfe modernster archäologischer Prospektionsmethoden vollständig erkundet. In dem auf drei Jahre anberaumten Projekt sollen insgesamt zehn Quadratkilometer per Magnetik und Bodenradar untersucht werden. Solche Methoden ermöglichen es, archäologische Strukturen wie Mauern bis in eine Tiefe von drei Metern ohne Grabungen sichtbar zu machen. Das neueste Bodenradargerät, das dabei zum Einsatz kommt, wurde am Freitag an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien präsentiert.

Nach dem Fund der Reste einer großen Gladiatorenschule im Vorjahr erwarten sich die Wissenschafter von der Untersuchung weitere spektakuläre Funde, wie der Leiter des Ludwig Boltzmann Institut (LBI) für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, Wolfgang Neubauer, erklärte. Die Fernerkundung aus der Luft mittels Laser- und Hyperspectral Scanning, die archäologische Strukturen auch in Gebieten mit dichter Vegetation sichtbar machen, ist bereits abgeschlossen. Das Projekt des LBI, der ZAMG und der Uni Wien wird vom Land Niederösterreich finanziert. Die umfassende Bestandsaufnahme soll nicht nur der Forschung dienen, sondern auch der Raumplanung eine wesentliche Grundlage bieten, sagte Neubauer.

Der Gerätepark

Zum Einsatz kommt dabei ein von den Wissenschaftern entwickeltes neues Bodenradar: Mit 16 Antennen können dabei Strukturen in einer Tiefe von bis zu drei Metern in einer flächigen Auflösung von acht mal acht Zentimeter dreidimensional erfasst werden. Konkret werden dabei die Grenzflächen von Materialien mit unterschiedlichen elektromagnetischen Eigenschaften sichtbar gemacht.

Die Geräte der österreichischen Wissenschafter sind offensichtlich so gut, dass sie immer öfter auch im Ausland zum Einsatz kommen. So haben die Forscher des LBI 2010 in unmittelbarer Nähe des britischen Steinkreises Stonehenge den sensationellen Fund einer Holzformation - scherzhaft "Woodhenge" genannt - gemacht. Auch derzeit ist ein Team in Stonehenge im Einsatz, insgesamt wurden bereits vier Quadratkilometer mittels Magnetik und Bodenradar analysiert.

Weitere Einsatzgebiete

In Kürze startet auch eine weitere Untersuchung der Wikingergrabungsstätte in Gokstad südwestlich von Oslo. Dort war im 9. Jahrhundert ein Wikinger mit einem kompletten 23 Meter langen Schiff samt Ausstattung in einem Grabhügel beigesetzt worden. Das Schiff wurde bereits 1880 ausgegraben, nun soll die gesamte, etwa 40 Hektar umfassende Umgebung von den österreichischen Wissenschaftern untersucht werden. So weiß man bereits von weiteren Grabhügeln, einer Siedlung und Hafenanlagen.

Auch in anderen archäologischen Stätten kommt das Bodenradar zum Einsatz. So haben die Experten der ZAMG mit dieser Methode in Ephesos in der Türkei ein bisher unbekanntes öffentliches antikes Zentrum mit mehreren Monumentalbauten entdeckt. Das LBI ist mit seinen Geräten an fünf Standorten in Österreich im Einsatz, zudem an weiteren archäologischen Stätten in Norwegen, Schweden und Deutschland. (APA, derStandard.at, 20.4.2012)