In großer Eile trat am Freitag in Budapest der parlamentarische Geheimdienstausschuss zusammen. Der Grund: Am Vorabend hatte der oppositionelle Fernsehsender ATV (ohne Verbindung zum gleichnamigen österreichischen Sender) die Tonbandaufnahme einer vertraulichen Unterredung veröffentlicht, in der ein Kommunalpolitiker der rechtsextremen Partei Jobbik (Die Besseren) einen Bürgerkrieg mit den Roma herbeigeredet hatte. "Das ist kein Problem, denn ein solcher wird früher oder später ausbrechen, aber er soll erst dann ausbrechen, wenn wir gewinnen können", gab der heutige Bürgermeister der nordungarischen Problem-Gemeinde Gyöngyöspata, Oszkár Juhász, von sich.
Die Aufnahme stammte aus dem Mai des Vorjahres. Der Jobbik-Ortschef Juhász, damals noch nicht Bürgermeister, führte die Unterredung mit Mitgliedern jener rechtsextremen paramilitärischen Garden, die zu diesem Zeitpunkt die Roma-Viertel von Gyöngyöspata quasi besetzt hatten. Die staatlichen Behörden sahen dieser massiven Einschüchterungsaktion zwei Wochen lang tatenlos zu. Dies führte dazu, dass der amerikanische Geschäftsmann und Philanthrop Richard Field die Evakuierung von 200 Roma-Frauen und -Kindern über das Osterwochenende organisierte. Nachdem sich die Garden zurückgezogen hatten, trat der für Ausgleich und Mäßigung stehende Bürgermeister László Tábi zurück. In der Nachwahl siegte in dem aufgeheizten Klima der Jobbik-Mann Juhász.
Technisch vorbereitet
Dieser rechtfertigte sich am Freitag damit, dass seine Worte von damals an noch radikalere Gardeführer gerichtet waren und diese hätten beschwichtigen wollen. Der Bürgerkrieg könne dann ausbrechen, ist Juhász auf der Tonbandaufnahme zu hören, "wenn wir entsprechend vorbereitet sind, hinsichtlich Mannstärke, technischer Ausrüstung, alles". Derzeit würde "man mit uns nur Schlitten fahren", fügte er hinzu. Aber auch später hätte man keine Zeit für einen wochen- oder monatelangen Krieg gegen die Roma. "Diese Rasse muss man hier in ein paar Tagen durch den Fleischwolf drehen."
Nach der Ausschusssitzung am Freitag versuchte die von der Partei Fidesz (Bund Junger Demokraten) geführte Regierung, den Vorfall herunterzuspielen. Die Affäre werde von der oppositionellen Sozialistischen Partei (MSZP) lediglich dazu ausgeschlachtet, um "daraus politischen Nutzen zu schlagen", erklärte der Staatssekretär im Innenministerium, Károly Kontrát.
Nach den Zusammenstößen zwischen Roma und Rechtsextremisten vergangenen Frühling wurde im Mai 2011 ein Gesetz eingeführt, das die eigenständige Aktivität von uniformierten Bürgerwehren verbietet, allerdings nicht, wenn sie auf Anforderung der lokalen Behörden geschieht. Medien zufolge versehen heute einige "Bürgerwächter" von damals Aufsichtsarbeiten über Roma, die zum kürzlich eingeführten staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogramm abkommandiert wurden. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 21./22.04.2012)