Sucht für die Ziesel beim Heeresspital einen neuen Platz, ist aber für den Wohnraum der Menschen zuständig: Stadtrat Ludwig.

Foto: Christian Fischer

Standard: Wer wird künftig beim Heeresspital wohnen - die Ziesel oder die Menschen?

Ludwig: Es wird Platz für alle geben. Der Schutz für Ziesel bleibt jedenfalls gewahrt. Sosehr ich mich für die Tiere einsetze - als Wohnbaustadtrat bin ich für den Wohnraum der Menschen zuständig.

Standard: Wie konnte das Gebiet umgewidmet werden, obwohl die Zieselpopulation bekannt war?

Ludwig:Die Umwidmung fällt nicht in mein Ressort. Mir war nicht bekannt, dass es dort Ziesel gibt. Ziesel treten in unserer Stadt wieder vermehrt auf.

Standard: Es ist das am meisten geschützte Tier in Österreich.

Ludwig: Biber sind auch geschützt. Es gibt auch einen weniger erfreulichen Aspekt, weil Biber Schäden anrichten.

Standard: Muss in Zukunft öfter auf Kosten der Natur gebaut werden?

Ludwig: Nein, in Wien wird der hohe Grünraumanteil sehr geschützt. Wo es möglich ist, müssen wir Wohnfläche zur Verfügung stellen und im Ausgleich die Natur erhalten. Wir haben nichts davon, wenn der gesamte Grünraum zersiedelt wird. Ich habe große Bedenken, was die Entwicklung im sogenannten Speckgürtel betrifft.

Standard: Es wird also nicht die Zukunft sein, dass zersiedelter Einfamilienwohnbau bis in die Stadtgrenzen notwendig ist?

Ludwig: Nicht flächendeckend. Es ist sinnvoll und wichtig, in manchen Bereichen Urbanität herzustellen und gleichzeitig Grünräume zu erhalten.

Standard: Ist es unausweichlich, dass sich Urbanisierung und Natur immer mehr in die Quere kommen?

Ludwig: Die Ausdehnung der Stadt hat auch etwas mit der Erwartungshaltung zu tun, die Menschen beanspruchen immer mehr Wohnfläche. Entweder man errichtet neue Wohnungen, oder die Wohnungspreise steigen, allerdings nur im privaten Bereich. Mit 60 Prozent ist Wien international die Stadt mit dem höchsten Anteil an geförderten Wohnungen. Dort sind die Miethöhen garantiert. Am privaten Sektor gibt es zuletzt enorme Steigerungen.

Standard: Welche Strategien braucht es, damit diese Kluft nicht größer wird?

Ludwig: Wir sollten über eine Reform des Mietrechts auf Bundesebene Mietobergrenzen einführen und genügend Wohnungen auf den Markt bringen. Zudem gibt es die Wohnbauinitiative, wo wir über günstige Kredite privates Geld aktiviert haben. Mit sechs Konsortien werden 6250 Wohneinheiten errichtet. Es entstehen frei finanzierte Wohnungen, die Miete ist für zehn Jahre so niedrig wie im geförderten Bereich.

Standard: Eine Eigentumswohnung zu kaufen kann Schulden auf Lebenszeit bedeuten. Wie kann man dem entgegenwirken?

Ludwig: Wir haben derzeit im Bereich des Eigentums eine starke Verzerrung, weil es einen Wechsel der finanziellen Ströme - weg von Aktien, hin zum "Betongold" - gibt. Viele haben den Wunsch, ihr Geld sicher zu investieren, auch wenn die Renditen derzeit sehr niedrig sind.

Standard: Sind wir vor einer Immobilienkrise geschützt?

Ludwig: Geschützt ist man vor einer Immobilienkrise nie. Aber durch die Rahmenbedingungen in Wien ist eine Immobilienblase nicht denkbar. Es hat dazu geführt, dass Investoren keine großen Renditen erzielen, aber es gibt auch keine großen Abstürze.

Standard: Bei der Seestadt Aspern sollen die Investoren recht zögerlich sein. Befürchten Sie, dass in ein paar Jahren 1600 Wohnungen allein auf der grünen Wiese stehen?

Ludwig: Nein. Ich bin zuversichtlich, dass es allen beteiligten Einrichtungen gelingt, ein attraktives Umfeld zu gestalten.

Standard: Können Sie zusammenfassen, was bei den Steinhofgründen schiefgelaufen ist?

Ludwig: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bemüht sich um Konsens mit den Anrainern. Umgekehrt muss es Rechtssicherheit geben: Wenn Bauträger nach einem Gemeinderatsbeschluss Grundstücke kaufen, muss sichergestellt sein, dass sie bauen können. Wenn wir das nur Diskussionen und Abstimmungen überlassen, wird es künftig schwierig sein, Projekte in Wien zu realisieren.

Standard: Aber nicht die Anrainer, sondern Bürgermeister Michael Häupl hat das "Zurück zum Start" ausgerufen.

Ludwig: Bürgermeister Michael Häupl hat zum gemeinsamen Dialog aufgerufen. Nach dem Motto: Beim Reden kommen d' Leut zsamm.

Standard: Schadet Ihnen, dass Sie durch das neue Mediengesetz nicht mehr so oft aus Zeitungsinseraten und Beilagen lächeln dürfen?

Ludwig: Ich hoffe, dass es so viele interessante Themen aus dem Wohnbauressort gibt, die auch mit mir als Person verbunden sind, dass ich trotzdem in Medien vorkomme. (Bettina Fernsebner-Kokert, Julia Herrnböck, DER STANDARD, 21./22.4.2012)