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43 Milliarden Dollar Kredit hat die Weltbank 2011 vergeben. Sie fördert viele Energieprojekte.

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STANDARD: Die Wahl des Weltbankpräsidenten diese Woche wirkte wie ein abgekartetes Spiel: Es war klar, dass ein Amerikaner die Weltbank führen muss, weil eine Europäerin den Währungsfonds leitet.

Huber: Sicher hat es Interventionen der Amerikaner gegeben. Aber ich glaube, dass wir die Möglichkeit gehabt hätten, anders zu stimmen und nicht den Amerikaner Jim Yong Kim zum Weltbankchef zu machen.

STANDARD: Wen haben Sie gewählt: Kim oder die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala?

Huber: Die Wahl war geheim. Es hat eine sehr deutliche Mehrheit für Kim gegeben. Die entscheidende Frage für viele im Weltbank-Direktorium war: Wollen wir Veränderungen in der Bank oder wollen wir beim alten Kurs bleiben?

STANDARD: Und Kim ist für diese Veränderungen gestanden?

Huber: Ngozi Okonjo-Iweala war jene Kandidatin, die für das derzeitige System steht. Sie war eine tragende Säule der Entwicklungen der Weltbank in den vergangenen Jahren. Der bisherige Direktor Robert Zoellick hat sich in der alltäglichen Arbeit sehr auf seine drei Managing Directors verlassen und unter diesen vor allem auf Ngozi. Kim hat etwas Neues versprochen: Er hat deutlich gemacht, dass er kein Ideologe ist. Er möchte, dass die Weltbank faktenorientierter arbeitet.

STANDARD: Wie das?

Huber: Die Weltbank ist teilweise noch immer an die im Washington Consensus festgelegten Prinzipien gebunden (Washington Consensus bezeichnet die Strategie von Weltbank und Währungsfonds, Anm.). Dabei geht es nicht nur um den Abbau von Handelsbarrieren und die Förderung von Privatisierungen - aber es wird zumeist so verstanden und praktiziert. Aber vieles basiert nicht auf Fakten. Wir wissen, dass Freihandel für viele Länder gut ist. Aber nicht für alle. Man kann nicht jedem Staat sagen, bau den Freihandel auf und Kapitalverkehrsschranken ab. Ein anderes Beispiel ist der feste Glaube, dass Wachstum Armut reduziert. Das ist nicht bewiesen, eher das Gegenteil: Wir wissen, dass es keinen schlüssigen Zusammenhang gibt. Trotzdem agieren wir so, als ob Wachstum per se gut wäre für die Armutsreduktion. Für wen diese Strategie gut ist und für wen nicht, muss man herausfinden, ehe man Ratschläge gibt.

STANDARD: Hat die Weltbank in der Krise gar nichts richtig gemacht?

Huber: Doch. Sie hat erstmals im großen Stil Projekte zur Einführung sozialer Schutzsysteme gefördert. Geldtransfers an ärmere Bevölkerungsschichten in Brasilien und Mexiko wurden davon abhängig gemacht, dass Betroffene ihre Kinder in die Schule schicken. Das ist in Europa nicht ungewöhnlich und funktioniert gut, in Südamerika aber eine Seltenheit. Die Weltbank hat solche Projekte kofinanziert und damit das Eis gebrochen. In der Türkei förderte sie den Ausbau der Arbeitslosenversicherung. Auch das ein Novum.

STANDARD: Trotzdem hat sich die Ausrichtung der Weltbank verschoben: Gefördert wurden Projekte in Industrie- und Schwellenländern, weniger in Entwicklungsländern?

Huber: Das ist sicher richtig. Einerseits liegt das daran, dass die Krise nicht in den Entwicklungsländern am stärksten gewütet hat. Andererseits waren die Töpfe der Weltbank für Schwellenländer besser aufgefüllt als jene für die ärmsten Staaten.

STANDARD: Ist es nicht ein Nachteil, dass ein Mediziner und nicht ein Ökonom die Weltbank führt?

Huber: Jeder hat seine Spezialisierung. Aber Kim versteht die größeren Zusammenhänge. Er sieht, dass die meisten Probleme der Entwicklungsländer im Gesundheitsbereich nicht dort zu lösen sind. Das hat Kim im Interview mit uns betont und das Beispiel von "maternal health" (Gesundheit von Müttern vor und nach der Schwangerschaft, Anm.) gebracht: Wenn man versucht, die Müttergesundheit nur mit medizinischen Eingriffen zu verbessern, wird man scheitern. Da geht es wirklich darum, bei den Umfeldbedingungen wie Sanitäreinrichtungen, Einkommen und Arbeit anzusetzen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 21./22.4.2012)