Zuerst ging der Papst in seiner Gründonnerstagsrede subtil scheltend auf die "Pfarrerinitiative" des Pfarrers von Probstdorf, Helmut Schüller, ein. Jetzt, beim Festgottesdienst im Stephansdom zu sieben Jahre Benedikt XVI., erklärt auch der päpstliche Nuntius in Österreich: "Auf Ungehorsam liegt kein Segen."

Was ist los? Sieht Rom in Schüller einen neuen Martin Luther? So seltsam es klingt, eine Reise nach Rom mit dem "Medienbischof" Egon Kapellari (siehe auch Kolumne vom 18. 4.) erweckt fast diesen Eindruck. Die höherrangigen Gesprächspartner spielen zwar offiziell den "Aufruf zum Ungehorsam" der rund 300 "Schüller-Pfarrer" herunter, aber inoffiziell fürchtet man eine mittlere Kirchenspaltung und Beispielswirkung.

Wie Schüller "ungehorsam" sein will, mag den normalen österreichischen Taufscheinkatholiken nicht weiter aufregen: Geschiedene/Wiederverheiratete sollen die Sakramente bekommen, ausgebildete Laien sollen predigen dürfen, und für das Priestertum von Frauen und verheirateten Männern will man sich einsetzen. Bis auf das Frauenpriestertum ist theoretisch auch für die Kirchenführung nichts davon absolut "unverhandelbar", aber der Punkt ist eben der "Ungehorsam". Schüller will nicht nachlassen. Der Papst und die heimische Hierarchie werden aber einen finalen Showdown möglichst vermeiden.

Eine solche Informationsreise mit vielen Gesprächspartnern (Kardinälen, Bischöfen, Rektoren bekannter Kirchen, päpstlichen Medienarbeitern, Vertretern von Laiengemeinschaften) gibt ein erstaunlich vielfältiges Bild: Da sind einerseits die glatten eloquenten Kirchenpolitiker, die im Grunde alle Probleme leugnen; da sind andererseits junge, selbstbewusste Aufsteiger in Jeans, die keine Kritik scheuen. Solche, auf denen das Bewusstsein der Missbrauchsfälle und der inadäquaten Reaktion des Papstes schwer lastet; andere, die nur sich selbst bedauern.

Es gibt eine Generalaudienz auf dem Petersplatz, wo die angereisten katholischen Vereine und Schulen nur jubeln wollen, der Theologieprofessor Ratzinger jedoch eine Katechese über das Gebet hält. Es gibt das deprimierende Spektakel der Touristenmassen, die durch Michelangelos Sixtinische Kapelle getrieben und über Lautsprecher zum Ruhigsein niedergezischt werden müssen; es gibt dann wieder im Kapitolinischen Museum die Ausstellung von Dokumenten aus dem Geheimarchiv des Vatikans, die den Weltcharakter dieser Institution zeigen: Dschingis Khan schreibt dem Papst ...

Es gibt aber auch eine Begegnung mit dem Generalsekretär der Laienbewegung St. Egidio, die international die "Freundschaft mit den Armen" pflegt, sich u. a. für Kinder in Entwicklungsländern und gegen die Todesstrafe einsetzt. Der Gründer, Andrea Riccardi, wurde jetzt in die Regierung von Mario Monti aufgenommen. "Als Christen glauben wir, dass wir die Welt verändern können. Mein Glaube ist nur möglich, wenn wir für uns für das Glück der anderen einsetzen", sagt Cesare Zucconi, Sekretär von St. Egidio. Die überaus eindrucksvolle Begegnung zeigt, was die Kirche auch sein kann. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 21./22.4.2012)