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Madrid - Die spanische Regierung von Ministerpräsident
Mariano Rajoy hat zusätzliche Einsparungen in Milliardenhöhe
beschlossen. Das neue Sparvorhaben sieht Kürzungen im Bildungs- und
Gesundheitssystem vor. Es soll den Staatshaushalt des von Schulden
geplagten Landes um zehn Milliarden Euro entlasten. Davon entfallen
sieben Milliarden auf das Gesundheitswesen und drei Milliarden auf
die Bildung. Die großen Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT riefen für
den 29. April zu landesweiten Protestkundgebungen auf.
Auf die argentinische Ankündigung
zur Verstaatlichung der Repsol-Tochter YPF hat Spanien eine erste
Gegenmaßnahme ergriffen. Madrid will die
Einfuhr von Biodiesel aus dem lateinamerikanischen Land einschränken.
Medikamente aus eigener Tasche zahlen
Wie die Madrider Regierung am Freitag bekanntgab, sollen die Mitglieder der staatlichen Krankenversicherung künftig einen Teil der verschriebenen Medikamente aus eigener Tasche zahlen. Nutzlose Arztbesuche und Untersuchungen sollen reduziert werden. Zudem will Madrid den sogenannten "betrügerischen Gesundheitstourismus" bekämpfen. Dazu sollen Ausländer daran gehindert werden, sich in spanischen Meldeämtern registrieren zu lassen, nur um in den Genuss der staatlichen medizinischen Versorgung zu kommen.
Im Bereich der Bildung soll die Zahl der Lehrer verringert und die der Schüler pro Klasse erhöht werden. Zudem sollen die Lehrer mehr Unterrichtsstunden pro Woche abhalten. An den Universitäten werden die Studiengebühren angehoben. Rajoy hatte die Einsparungen damit begründet, dass Spanien sich ein Gesundheits- und Bildungssystem in der jetzigen Form nicht leisten könne. "Wir haben einfach kein Geld dafür", sagte der konservative Regierungschef.
Rajoy hatte im Haushaltsentwurf für 2012 bereits die Schließung einer Finanzlücke in Höhe von 27 Milliarden Euro vorgesehen. Dies soll durch Einsparungen in Rekordhöhe und zusätzliche Steuereinnahmen erreicht werden. Das Sparprogramm reichte aber nicht aus, um Spanien vom Druck der Finanzmärkte zu befreien.
Madrid steigt für spansiche Repsol in den Ring
Nach der argentinischen Ankündigung zur Verstaatlichung der Repsol-Tochter YPF hat Spanien eine erste Gegenmaßnahme ergriffen. Wie die spanische Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría am Freitag mitteilte, wird Madrid die Einfuhr von Biodiesel aus dem lateinamerikanischen Land einschränken. Bisher machen die Importe aus Argentinien etwa die Hälfte des spanischen Bedarfs aus. Nähere Einzelheiten zu den geplanten Restriktionen gab Madrid nicht bekannt.
Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hatte die Enteignung des größten Erdöl-Unternehmens des Landes mit fehlenden Investitionen des spanischen Mehrheitseigners begründet. Das EU-Parlament warnte Argentinien am Freitag vor der Verstaatlichung der Repsol-Tochter und drohte mit Folgen.
Diese einseitige und willkürliche Entscheidung von Buenos Aires könne die laufenden Verhandlungen Argentiniens mit der EU über ein Assoziierungsabkommen behindern, hieß es in einer fraktionsübergreifenden Entschließung des Parlaments. Nach dem Willen von Fernández de Kirchner sollen bald 51 Prozent der Aktien des Erdölkonzerns YPF in Staatsbesitz übergehen.
Spanien will für seine Banken keine Krisenhilfe
Madrid sieht aber nicht nur Probleme. So seien Spaniens Banken nach Einschätzung der Regierung nicht auf staatliche Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF angewiesen. "Wir werden keine Gelder aus dem Rettungsfonds für die Refinanzierung der Banken brauchen", sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos dem "Handelsblatt". Die Angst vor einer Verschärfung der Wirtschaftskrise in seinem Land sei unbegründet. Spanien werde die Budget-Ziele bis zum Jahr 2013 erreichen. Die konservative Regierung sei entschlossen, den Haushalt zu sanieren und Strukturreformen durchzusetzen.
Ein Grund für den Vertrauensverlust am Finanzmarkt sei, dass der Regierung noch nicht ausreichend gelungen sei, den Umfang der eingeleiteten Reformen zu erläutern. "Wir sind in den vergangenen Wochen an den Märkten abgestraft worden", räumte der Minister ein. Am Freitag stiegen die Zinsen für zehnjährige spanische Staatsanleihen wieder nahe die kritische Marke von sechs Prozent.
Ökonomen zuversichtlich
Christian Schulz von der Berenberg Bank in London rechnet vor, dass die Refinanzierung der übrigen in diesem Jahr auslaufenden spanischen Schulden zum derzeitigen Zinsniveau noch nicht einmal Mehrausgaben von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung bedeuten würde. Sein Fazit: "Kein Grund für große Sorgen."
Auch bei den allermeisten anderen Ökonomen hat sich noch lange nicht die Überzeugung durchgesetzt, dass Spanien schon bald unter den Rettungsschirm flüchten muss. Bei einer in dieser Woche veröffentlichten Reuters-Umfrage bezifferten 29 Volkswirte die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios im Schnitt auf lediglich 25 Prozent. Nur jeder sechste Experte hielt dabei eine Finanzspritze für den wahrscheinlichsten Ausgang des Zitterspiels. Dabei setzen die Experten auch auf die abschreckende Wirkung der griechischen Tragödie: "Die spanische Regierung ist recht gut darin, früh gegenzusteuern. Sie wissen jetzt, wie schlimm es werden könnte", resümiert Alan Clarke von der Scotiabank.
Auf Wachstum achten
Im Lichte der Sparpakete warnte Wirtschaftsminister de Guindos allerdings wie schon die französische Regierung davor, dass die Sparmaßnahmen in den überschuldeten Euro-Staaten die Krise verschärfen könnte. Daher müsse der Sparkurs mit wachstumsfördernden Reformen verbunden werden. "Die Konsolidierung ist unverzichtbar, aber wir dürfen dabei kein Tempo anschlagen, das die Wachstumsaussichten ruiniert", sagte der spanische Politiker. (APA/Reuters/red, 20.4.2012)