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Artig lächeln für den Fotografen. Bei der Frühjahrstagung des Währungsfonds war die Stimmung aber zeitweise gespannt.

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Die Erleichterung steht Christine Lagarde ins Gesicht geschrieben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kann seine Krisenkasse beträchtlich aufstocken, um wirksam die Rolle der Finanzfeuerwehr zu spielen - sei es in der Eurozone oder an anderen wirtschaftlichen Brandherden. 430 Milliarden Dollar wurden bereits fest zugesagt, damit verdoppelt sich die Kapazität der Organisation, Ländern in akuter Finanznot Kredite zu gewähren.

Zudem haben einige Staaten, etwa China und Russland, ihre Zahlungsbereitschaft im Prinzip zugesagt, es aber vermieden, konkrete Summen zu nennen. "Es ist schön, einen großen Schirm zu haben", sagt die IWF-Direktorin, als sie am Sonnabend, zum Abschluss der Frühjahrstagung ihrer Organisation, ein Fazit zieht. Geschickt im Taktieren, hatte die Französin die Latte zuvor ein wenig niedriger gehängt und nur von 400 Milliarden Dollar an zusätzlich benötigten Mitteln gesprochen. Dass es deutlich mehr wurde und die Einigung obendrein überraschend schnell erfolgte, lässt die Französin als hochprofessionelle Krisenmanagerin dastehen.

Japan bekennt Farbe

Japan habe als erster Staat Farbe bekannt und frisches Geld in Aussicht gestellt, erzählt Lagarde am Rande der Tagung. Daraufhin hätten sich andere nicht lumpen lassen wollen, eine interessante "Gruppendynamik" habe sich da entfaltet. Wie bei einem Abendessen, zu dem man hochkarätige Gäste gewinne, wenn man sie darauf hinweise, wer bereits zugesagt habe.

Rund 200 Milliarden Dollar kommen aus der Eurozone, gut ein Viertel davon von der deutschen Bundesbank, sechs aus Österreich. Japan steuert 60 Milliarden bei. Großbritannien, Saudi-Arabien und Südkorea beteiligen sich mit jeweils rund 15 Milliarden, Schweden und Norwegen mit je zehn Milliarden. Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister, spricht vor Reportern von einem "großen Maß an Solidarität", legt aber zugleich Wert auf die Feststellung, dass dies "keine europäische Veranstaltung" sei. Die aufgestockten Mittel könnten in aller Welt eingesetzt werden, keineswegs nur in der Eurozone. "Das ist kein Topf, an dem das Etikett EU klebt", sagt auch Lagarde.

Tatsächlich tun sich aufstrebende Nationen wie China oder Brasilien schwer damit, die Handlungsfähigkeit einer Krisenfeuerwehr zu erhöhen, die sich seit zwei Jahren in erster Linie den Pleitekandidaten Europas widmet. Lange waren es zumeist Entwicklungsländer, in denen der Währungsfonds löschte, oft verbunden mit strengen Auflagen.

Spannungsfeld

Nun sehen sich die neuen Schwergewichte in der Rolle der Geldgeber, die dem - aus ihrer Sicht bequem gewordenen, über seine Verhältnisse lebenden - Westen beispringen sollen, jenem Westen, der sich immer gern als Lehrmeister aufspielte. Es ist ein Spannungsfeld, in dem es an Polemik nicht mangelt.

Was manche Schwellenländer regelrecht erbost, ist die Hängepartie bei der Umsetzung einer Quotenreform, die ihnen unter den 188 IWF-Mitgliedern mehr Gewicht einräumen soll. Während es chinesische Politiker nach landestypischer Art durch die Blume sagen, hält der Finanzminister Brasiliens mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. Nach den Worten Guido Mantegas unterstützen viele Industrieländer das Projekt nur verbal, "das bloße rituelle Wiederholen dieser Art von Erklärungen reicht nicht annähernd aus". Beschlossen wurde die Quotenänderung bereits 2010, spätestens in diesem Herbst soll sie in Kraft treten. Doch die Brasilianer, die am lautesten an der pünktlichen Umsetzung zweifeln, sehen sowohl in den USA als auch in Europa raffinierte Bremser am Werk.

USA ziehen nicht mit

Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten bei der Ressourcen-Aufstockung abseitsstehen, obwohl sie größter Anteilseigner des IWF sind. Der tiefere Grund liegt in der Skepsis der konservativen Parlamentsmehrheit, aber auch zahlreicher demokratischer Abgeordneter: Angesichts nationaler Rekorddefizite sehen sie keinen Spielraum für ein verstärktes multilaterales Engagement. Würde das Weiße Haus den Kongress um grünes Licht für neue Finanzspritzen bitten, würde es Schiffbruch erleiden - eine Niederlage, die Präsident Barack Obama in einem Wahljahr nicht riskieren möchte. Sein Finanzminister Tim Geithner begründet das Nichthandeln mit dem Hinweis darauf, dass Europa über genügend eigene Mittel verfüge und sich daher selbst helfen könne. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 23.4.2012)