Faymann: Der Stiftungsrat soll "ein ordentlicher Aufsichtsrat werden".

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Hochgurgl/Wien - Werner Faymann, Kanzler und SPÖ-Chef, spricht sich im "Kurier" für einen kleineren Aufsichtsrat des ORF aus. "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter zitiert Faymann mit "höchstens zehn bis 15 hoch qualifizierten Leuten". Der amtierende Stiftungsrat sei mit 35 Mitgliedern "unübersichtlich", er solle "ein ordentlicher Aufsichtsrat werden".

Faymann könnte sich demnach vorstellen, diesen Aufsichtsrat wie den Verfassungsgerichtshof zu besetzen. Dort nominiert die Bundesregierung den Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und sechs Mitglieder, der Nationalrat und der Bundesrat je drei. Skeptisch beurteile Faymann das ÖVP-Modell, wonach der Aufsichtsrat selbst wie bei der ÖIAG Mitglieder nachbesetzen solle. "Die Mitarbeiter müssen vor falscher Einflussnahme geschützt werden", wird Faymann zitiert.

Der ORF-Betriebsrat solle im Aufsichtsrat vertreten sein, Personalfragen aber nicht entscheidend mitbestimmen können. Unterstützung für einen kleineren Stiftungsrat kommt von der ÖVP, die Verhandlungen über ein neues ORF-Gesetz sollen bereits nächste Woche beginnen, gaben Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag nach dem Ministerrat bekannt.

Ostermayer soll Modelle erarbeiten

Medienstaatssekretär Josef Ostermayer solle mit einer Arbeitsgruppe Modelle erarbeiten, "spätestens für die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Wahl" 2013. Ostermayer sprach sich schon 2009 für einen kleineren ORF-Aufsichtsrat aus, damals wollten Faymann und Ostermayer ORF-Chef Alexander Wrabetz vorzeitig ablösen. Gesetzesnovellen wurden schon mehrfach dafür genützt.

Wrabetz präsentierte am Montag bei der Klausur des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) in Tirol ein Angebot, um bei der ORF-Novelle eigene Wünsche durchzusetzen: Der ORF könnte etwa Info-Videomaterial aus seiner TVthek den Webseiten von Verlagen zur Verfügung stellen, die sie dort werblich vermarkten könnten. Wrabetz an die Zeitungsverleger: "Es gibt die Möglichkeit, den Videowerbemarkt gemeinsam zu entwickeln" - mehr dazu hier. 

ÖVP: Gewaltige Reform

ÖVP-Obmann Spindelegger ist angetan vom Faymann-Vorstoß, den ORF neu zu organisieren. Die Vorschläge des SPÖ-Chefs, unter anderem eine Verkleinerung des Stiftungsrats, würden eine "gewaltige Reform" darstellen, sagte der Vizekanzler am Dienstag vor dem Ministerrat. Spindelegger plädiert nun dafür, eine Arbeitsgruppe einzurichten, in der die Details diskutiert werden.

Änderungsbedarf sieht auch der ÖVP-Chef bei der Größe des Stiftungsrats. Ebenfalls diskussionswürdig erscheinen ihm das Alleingeschäftsführermodell sowie die Mitbestimmung des Betriebsrats. Hier tritt Spindelegger dafür ein, wie in der Privatwirtschaft ein System der "doppelten Mehrheit" zu etablieren.

Opposition kritisiert Pläne

Kritik an den Regierungsplänen kam am Dienstag erwartungsgemäß von der Opposition. Die parlamentarischen Oppositionsparteien verfügen - wie die Bundesländer - derzeit über je einen Sitz im obersten ORF-Gremium. Bei einer Verkleinerung des Stiftungsrats würde diese Mitgestaltungsmöglichkeit wohl wackeln.

Die FPÖ sprach denn auch von einer "Vertreibungsaktion der Opposition aus dem ORF" und einer "Umgestaltung des ORF in Faymann-TV". Neben dem ORF-Programm sollten nun auch die ORF-Gremien "inhaltlich gleichgeschaltet" werden. Der ORF solle offenbar zum "DDR-Sender" mutieren, so die FPÖ-Generalsekretäre Herbert Kickl und Harald Vilimsky. Ähnlich das BZÖ: Faymann plane den "totalen Regierungsfunk - die Opposition soll ausgeschaltet werden", erklärte BZÖ-Mediensprecher Stefan Petzner. Man werde diese Pläne für eine "totale Machtübernahme im Regierungsfunk ORF mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen". Eine Gremienverkleinerung sei in Ordnung, diese dürfe aber nicht dazu führen, dass die Regierung im ORF ihre "Allmachtsansprüche" ausleben kann.

Positiv reagierte indes der unabhängige ORF-Stiftungsrat Franz Küberl. "Wenn wir Glück haben, ist das der Beginn einer differenzierten Debatte. Faymanns Modell klingt nach BBC, das wäre nicht das schlechteste Vorbild", sagte Küberl der "Kleinen Zeitung". Zu diskutieren sei, "welche Kompetenzen der neue Stiftungsrat haben soll und ob man zu einem abgeklärteren Verhältnis zwischen ORF und Politik findet". Dass die Betriebsräte im ORF-Stiftungsrat die Geschäftsführung nicht mehr mitwählen sollen, sei angesichts der letzten ORF-Wahl "ein richtig verstandener Fortschritt. Von dieser unglückseligen Macht sollte man die Betriebsräte entbinden."

Verhandlungen ab kommender Woche

Mit einer Reform des ORF könnte es schneller gehen als zuletzt gedacht. Bereits kommende Woche wollen SPÖ und ÖVP Verhandlungen starten. Das kündigten Faymann und Spindelegger am Dienstag nach dem Ministerrat an. Einig sind sich die beiden schon, dass eine Verkleinerung des Stiftungsrats angestrebt wird.

Dass hier schon Protest der FPÖ laut wurde, focht den Kanzler nicht an. Wenn ein Gremium von 35 auf zehn bis 15 Personen verkleinert werde, könne man sich leicht ausrechnen, dass es weniger Mitglieder habe. "Dass sich dann einige melden und sagen, hoffentlich ist meiner drin", sei nicht unbedingt eine konstruktive Vorgangsweise, meinte Faymann.

Privilegien

Spindelegger verglich den Ärger der Freiheitlichen mit der Aufregung um die Diplomatenpässe. Zuerst schreie die Opposition, was es nicht an Privilegien gebe, und wenn man dann eine Reform vorlege, werde wieder aufgeschrien, weil man selbst das Privileg zu verlieren drohe. Die Einschränkung der Vergabe von Diplomatenpässen war zuletzt nach Protesten der Oppositionsparteien im Parlament stecken geblieben.

Was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeht, meinte Faymann, die Österreicher wollten in erster Linie einen unabhängigen ORF: "Das werden wir wohl zustande bringen." Allerdings konzedierte der Kanzler, dass die Parteien auch künftig eine Rolle spielen würden, konkret bei der Auswahl der Stiftungsräte. (APA/fid, DER STANDARD, 24.4.2012, online ergänzt)