Wenn ein Hulk erst einmal in Rage ist, gibt es kein Halten mehr. In Zivil wird der grüne Zornbinkel in Joss Whedons "The Avengers" von Mark Ruffalo verkörpert.

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Wien - Ein Superheld ist gut. Zwei Superhelden sind besser. Eine Handvoll dieser meist als unerwünschter Nebeneffekt wissenschaftlicher, geheimdienstlicher oder militärischer Experimente entstandenen Kreaturen mit besonderen Fähigkeiten müsste demnach schon fast unschlagbar sein. Der US-amerikanische Comicverlag Marvel verfolgte solche Formeln früh. Anfang der 1960er-Jahre lancierte er unter Federführung von Stan Lee und Jack Kirby sein Team der "Rächer" - teils mit Superhelden, die noch Erfindungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs waren.

Die Abenteuer der Rächer erschienen bis in die 90er-Jahre. Im Kino etablierte Marvel ab den Nullerjahren zunächst noch einmal die Einzelhelden - von Ang Lees "Hulk" (2003) bis Joe Johnstons "Captain America - The First Avenger" (2011). Nachdem die wichtigsten Figuren nun (wieder) eingeführt sind, folgt auch auf der Leinwand deren Zusammenführung.

Die Geschichte geht so: Loki (Tom Hiddleston), schmallippiger Profilierungsneurotiker aus der extraterrestrischen Sagenwelt, sucht auf der Erde nach potenziellen Untertanen. Seine anvisierte feindliche Übernahme des Planeten alarmiert den Geheimdienst S.H.I.E.L.D., dessen Agent Fury (Samuel L. Jackson) beschließt, ein altes Vorhaben zu reaktivieren und Superheldenkräfte zu bündeln.

Nämlich jene von WWII-Veteran Captain America (Chris Evans), vom Milliardär und Technologiemogul Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.), vom Wissenschafter Bruce Banner alias Hulk (Mark Ruffalo) und von der geschmeidigen Agentin Natasha Romanoff alias Schwarze Witwe (Scarlett Johansson). Unverhofft stößt noch Lokis Halbbruder Thor (Chris Hemsworth) dazu. Mit dem scharf schießenden Hawkeye (Jeremy Renner) hingegen gibt es anfangs Probleme.

Die Grundstruktur von "The Avengers", den TV-Regisseur Joss Whedon adaptiert und inszeniert hat, ist ein simples Dreiphasenmodell: Eine Krise zeichnet sich ab, das Team von Troubleshootern formiert sich, nach kleineren Scharmützeln kommt es schließlich zum alles entscheidenden Kampf. Diese jeweiligen Stationen bieten Platz für bombastisch gemeinte Action und für ein bisschen schlankes Palaver zwischendurch. Wobei die Dialoge mitunter um einiges treffsicherer und wendiger ausfallen als die Kampfhandlungen. Von einer anderen Gewichtung dieser Elemente hätte der über zwei Stunden lange und geschätzte 220 Millionen Dollar schwere Film durchaus profitieren können.

Abgeschottete Helden

Eines der Hauptprobleme von "The Avengers" kann man schon daran ablesen, dass die Hauptschauplätze vom Rest der (Erzähl-)Welt buchstäblich abgekoppelt bleiben: ein geheimer Versuchsbunker in der Einschicht, ein Flugzeugträger, der bald zum Luftschiff mutiert und abhebt. Dabei leben die interessantesten Superhelden-Epen doch nicht bloß vom Tschin-Bumm, sondern auch von der fortwährenden Konfrontation der übermenschlich Versehrten mit ihren gewöhnlichen Mitbürgern und jenem Erdling, der noch in ihnen selber steckt.

Ein erzählerisch äußerst lohnender Konflikt, der hier bloß noch verhalten anklingen darf. Es ist eben nicht gut, wenn die vielen Superhelden dann nur noch unter sich sein wollen. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 25.4.2012)