Für sie zerdrücken Politiker gern ein paar Krokodilstränen: Schießen die Benzinpreise in den smogverhangenen Himmel, entdecken Volksvertreter ihr Herz für die Pendler. Im Namen der motorisierten Arbeitsreisenden haben Regierungen Sparpakete aufgeschnürt und Unbill wie eine Pkw-Maut abgewendet.

Eine wohlbehütete Zielgruppe also? Ein Teil der Pendler hat tatsächlich wenig zu klagen. Wer etwa ordentliche 3000 Euro brutto im Monat verdient, dem kann die vom Staat als Ausgleich für Fahrtkosten gewährte Pauschale bei langer Wegstrecke knapp 1600 Euro im Jahr bringen. Blöd erwischt haben es hingegen jene, die wirklich jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Sie kommen mitunter nicht einmal auf ein Drittel der Summe der Gutsituierten - soziale Staffelung andersrum.

Möglich macht das die perverse Konstruktion der Pendlerpauschale: Weil sie als Freibetrag die Steuergrundlage verringert, steigt der Vorteil mit dem Einkommen. Schlechtverdiener, die wenig oder keine Steuern zahlen, sind dabei die Angeschmierten.

Dieses falsch verteilte Steuerzuckerl führt nicht nur das Gerede von " Steuergerechtigkeit" (SPÖ) und "Treffsicherheit" (ÖVP) ad absurdum, sondern ist auch aus ökologischer Sicht widersinnig. Die vielen wohlbestallten Pendler - ein Drittel der Bezieher freut sich über Einkommen von mehr als 40.000 Euro brutto im Jahr - sind ja keine südburgenländischen Bauhackler oder obersteirischen Handelsangestellte, sondern haben sich ihr Domizil in der arbeitsplatzarmen Einschicht oft freiwillig ausgesucht. In den Speckgürteln der Städte leben sie den Traum vom Eigenheim im Grünen, während die Allgemeinheit unter schädlichen Folgen von hohen Infrastrukturkosten bis zum Verkehrsstau leidet - und die um sich greifende Zersiedelung auch noch mit Steuerrabatten fördert.

Dennoch haben Regierungen, wenn die Pendlerpauschale angetastet wurde, stets nur eines getan: einfach noch ein bisserl mehr Geld draufgelegt. Dass SPÖ und ÖVP nun endlich eine soziale Staffelung - diesmal in die richtige Richtung - anvisieren, sollte Anlass für eine weitreichende Reform sein, die Fördergelder von den Straßenbenutzern zu den Öffi-Fahrern umschichtet.

Warum nicht gleich ganz weg mit der Pendlerpauschale, die den klimafeindlichen Griff zum Zündschlüssel ermutigt? Solange in viele Täler nur Bummelzüge und -busse in Stundenintervallen zuckeln, wäre es zynisch, allen berufsbedingten Autofahrern ein "Pech gehabt" zuzurufen. Die Speckgürtel-Idylle ist eben nur ein Teil der Pendlerwahrheit. Genauso setzen sich viele Menschen nur deshalb täglich hinters Lenkrad, weil es in ihren "strukturschwachen" Landgebieten einfach keine Jobs gibt. Bei aller Notwendigkeit, Bürger zu umweltfreundlichen Gewohnheiten zu erziehen: Ein pauschales Aus für die Pendlerpauschale mag ökologischen Profit bringen, provoziert jedoch hohe Nebenkosten in Form von Arbeitslosen, Sozialfällen und Abwanderung.

Jene 40 Prozent der Pendler aber, deren Arbeitsweg unter 20 Kilometer beträgt, sollten sich zum Gutteil mit entsprechenden Angeboten und Anreizen zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegen lassen; die aktuelle Pauschale belohnt auf Kurzdistanz paradoxerweise Autofahrer, während Öffi-Benutzer leer ausgehen. Wen trotz zumutbarer Verbindung der Bleifuß juckt, soll sich den Spaß gefälligst selber zahlen. (Gerald John, DER STANDARD, 25.4.2012)