Der Senatsvorsitzende kann sich eine Gebühr für Uni-Kurse vorstellen.

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Das Wissenschaftsministerium übt in der Frage der Einführung von Studiengebühren Druck auf die Uni Wien aus. Das bestätigt auch der Senatsvorsitzende der Hochschule. Im Interview mit derStandard.at sagt Helmut Fuchs: "Möglicherweise wird es in den Verhandlungen mit dem Ministerium heißen: Ihr bekommt weniger Geld, denn ihr könntet Studienbeiträge einführen, macht es aber nicht."

Am Donnerstag wird der Senat über die Einführung der Gebühren abstimmen. Das Rektorat hat sich für Beiträge in Höhe von 363,36 Euro für Studierende ausgesprochen, die aus Drittstaaten kommen oder länger als die Mindeststudienzeit plus zwei Toleranzsemester brauchen. Laut Fuchs sind dazu Fachleute geladen, die über das rechtliche Risiko durch Massenklagen informieren sollen. Der Vorsitzende ortet im Senat zwar eine Mehrheit für Studiengebühren, aufgrund der unsicheren rechtlichen Lage ist das Abstimmungsergebnis aber noch unklar.

derStandard.at: Am Donnerstag wird der Senat der Uni Wien über autonome Studiengebühren abstimmen. Wie stehen Sie zur Einführung solcher Gebühren?

Fuchs: Ich bin für moderate und vernünftige Studienbeiträge. Aber am Donnerstag geht es nur um jene Studierenden, für die schon SPÖ, Grüne und FPÖ im Jahr 2008 Studienbeiträge vorgesehen hatten: Ausländer außerhalb der EU und außerhalb von Entwicklungsländern sowie Langzeitstudierende, sofern sie nicht berufstätig sind, Kinder zu betreuen haben oder wegen Krankheit am zügigen Studium gehindert waren. Dass diese zwei Gruppen einen Beitrag von 350 Euro leisten sollen, dagegen kann man vernünftigerweise nicht viel einwenden. Ich denke, dass das auch die Senatsmehrheit so sieht. Das Problem ist aber, dass die gesetzliche Grundlage für eine autonome Regelung unsicher ist und die ÖH Massenklagen angekündigt hat. Da müssen wir die Risken genau prüfen.

derStandard.at: Sie wollen jetzt noch nicht sagen, wie Sie am Donnerstag stimmen werden?

Fuchs: Ich kann es noch nicht sagen, weil wir zur Sitzung Fachleute eingeladen haben und uns über das Verfassungs- und Verfahrensrecht beraten lassen. Da werden wir die finanziellen Risiken und den Nutzen abwägen.

derStandard.at: Wie groß das Risiko ist, können Sie jetzt noch nicht abschätzen?

Fuchs: Nein, weil wir uns dazu noch beraten lassen. Wir werden ausführlich und sorgfältig prüfen und auch die kritischen Fragen stellen.

derStandard.at: Rektor Engl hat gesagt, dass er die autonomen Studiengebühren aus strategischen Gründen einführen will. Damit solle geklärt werden, ob sie rechtlich möglich sind, damit die Uni kein Spielball zwischen den Parteien mehr ist. Was sagen Sie zu dieser Argumentation?

Fuchs: Ich finde es gut, Klarheit über den Umfang der Universitätsautonomie herbeizuführen. Sonst sind wir immer von der einen Seite dem Vorwurf ausgesetzt, dass wir die Studienbeiträge einführen könnten, und bekommen weniger Geld, wenn wir es nicht machen. Von der anderen Seite hören wir: Ihr dürft das nicht machen. Die Klarstellung könnte man kostengünstig erreichen, wenn man einzelne Musterklagen vor den Verfassungsgerichtshof bringt. Es wäre im Interesse der gesamten Universität, wenn die Hochschülerschaft dabei mitgeht. Gleichgültig, wie diese Musterverfahren ausgehen: Wenn die Rechtslage geklärt ist, und das kann nur der Verfassungsgerichtshof, sind wir den Druck los, dem wir derzeit ausgesetzt sind.

derStandard.at: Wie äußert sich dieser Druck?

Fuchs: Möglicherweise wird es in den Verhandlungen mit dem Ministerium heißen: Ihr bekommt weniger Geld, denn ihr könntet Studienbeiträge einführen, macht es aber nicht. Gerade jetzt, wo die Leistungsvereinbarungen für die nächsten drei Jahre zu verhandeln sind, ist die Lage besonders heikel.

derStandard.at: Was halten Sie von dieser Vorgangsweise des Ministeriums?

Fuchs: In dieser unsicheren rechtlichen Situation Druck auszuüben ist falsch.

derStandard.at: Sie haben sich für "sinnvolle Studiengebühren" ausgesprochen. Wie sollen die aussehen?

Fuchs: Ich bin für Studienbeiträge, die auf jene Leistungen bezogen sind, die der Student konkret in Anspruch nimmt. Je Prüfung und prüfungsimmanenter Lehrveranstaltung, also für Labors, Proseminare, Seminare usw., wären beispielsweise zehn oder 15 Euro pro EC-Punkt zu zahlen. Das ist einerseits gegenüber Berufstätigen gerechter als Semesterbeiträge, da sie pro Semester nur weniger Lehrveranstaltungen besuchen können. Vor allem aber könnte dieser geringe Betrag mehr Verbindlichkeit herstellen: Wer etwas zahlen muss, und wenn es auch nur wenig ist, wählt seine Kurse bewusst aus und geht auch wirklich hin, wenn er sich angemeldet hat. Man könnte auch daran denken, den Studierenden, die den Kurs bis zum Schluss mitgemacht und erfolgreich absolviert haben, die Hälfte des gezahlten Beitrags für das nächste Semester gutzuschreiben.

derStandard.at: Jetzt herrscht zu wenig Verbindlichkeit?

Fuchs: Leider kommt es oft vor, dass Studierende sich anmelden, dann aber nicht in die Veranstaltung hingehen. Oder sie kommen zum ersten und zum zweiten Termin und dann nicht mehr. Oder sie melden sich zu Prüfungen an und erscheinen nicht. Das beansprucht unnötig Kapazitäten. Studenten sollen selbstverständlich auch die Möglichkeit haben, ihr Studium zu wechseln und mehreres zu studieren, aber wenn sie sich für etwas entscheiden, sollen sie das ein Semester lang konsequent machen.

derStandard.at: In der vergangenen Woche gab es Proteste gegen die Abschaffung des Bachelorstudiums im Fach Internationale Entwicklung. Wie stehen Sie dazu?

Fuchs: Diejenigen, die das jetzt studieren, können fertigstudieren. In Zukunft soll der Zugang zur Internationalen Entwicklung über bereits etablierte Studien erfolgen. Das sind etwa Politikwissenschaft oder Soziologie, ergänzt durch Erweiterungscurricula. Darauf aufbauend gibt es ein hochwertiges Masterstudium Internationale Entwicklung.

Das Bachelorstudium wurde vor einigen Jahren neu eingerichtet und war für höchstens 150 Studienanfänger konzipiert. Wir haben aber keine Möglichkeit, den Zugang zu regulieren. Das Studium steht für ein Europa mit 800 Millionen Menschen offen, und so hatten wir bald fast 1.000 Erstanmeldungen. Das ist finanziell nicht machbar und da kann man die Qualität nicht mehr garantieren. Ich habe den Studentenvertretern gesagt, wenn sie für vernünftige Zugangsregelungen eintreten, dann schaut die Sache anders aus.

derStandard.at: Das Problem, dass es zu viele Studenten gibt, gibt es auch in anderen Fächern. Zum Beispiel in den Politikwissenschaften.

Fuchs: Bei neuen Studien, die man neu konzipiert und einrichtet und die dann plötzlich explodieren, ist das Problem viel brisanter. Da muss man neue Inhalte schaffen, Personal aufbauen usw. Das wird überall auf der Welt langsam aufgebaut, genau so können auch wir es nur tun. Es geht um die Qualität der Lehre, jetzt arbeitet man oft mit Lehrenden, die gerade selbst den ersten Studienabschluss erworben haben. Alles das schadet dem Studium auf die Dauer.

derStandard.at: Die Studiengangsleiterin der Internationalen Entwicklung vermutet, dass das Studium auch aus politischen Gründen eingeschränkt werden soll.

Fuchs: Es gibt keine politischen Gründe. Es ist ganz klar, dass ein Studium der Internationalen Entwicklung ein kritisches Studium sein wird. Das Verhältnis Europas zur Entwicklungswelt beispielsweise ist höchst problematisch, und da muss man natürlich mit der nötigen Kritik herangehen. Aber eine kritische Methode darf selbstverständlich nicht zu Beliebigkeit oder mangelnder Qualität führen.

derStandard.at: Am Donnerstag wird es während der Senatssitzung eine Demonstration gegen Studiengebühren geben. Verstehen Sie die Studenten?

Fuchs: Ich verstehe es insofern nicht, als auch die Studierenden an einer Klärung interessiert sein sollten, um den Druck von der Universität zu nehmen. Auch kann man die Frage der Studienbeiträge nicht mit fundamentalistischer Ablehnung beantworten. An moderaten Studienbeiträgen wird kein Weg vorbeiführen, und wenn man sich dieser Einsicht verschließt, dann schwächt man die öffentlichen Universitäten. Dann werden diejenigen, die es sich leisten können, ihre Kinder an Privatuniversitäten ins Ausland schicken, und dann hat man erst recht ein schwerwiegendes soziales Problem. (Lisa Aigner, derStandard.at, 25.4.2012)