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Wolfgang Flöttl am Mittwoch kurz vor Prozessbeginn im Wiener Straflandesgericht.

Foto: APA/Schlager

Wien - Am ersten Tag des zweiten Bawag-Strafprozesses haben heute die Anwälte der Angeklagten versucht, die Schuld auf den abwesenden Ex-Bankchef Helmut Elsner und dessen Stellvertreter Johann Zwettler zu schieben, die beide schon rechtskräftig verurteilt sind. Der Anwalt des mitangeklagten Spekulanten Wolfgang Flöttl verteidigte diesen gegen Elsners Vorwürfe, und betonte, Flöttl habe kein Geld gestohlen. Elsner selber kommt erst nächsten Mittwoch (2. Mai) zum Prozess ins Wiener Straflandesgericht, weil er nur wegen einer Subsidiaranklage der Bawag wieder auf die Anklagebank muss. Der Prozess um einen Milliardenverlust durch Flöttls Spekulationen mit BAWAG-Geldern muss in wesentlichen Teilen wiederholt werden, da der Oberste Gerichtshof (OGH) das erstinstanzliche Urteil von Richterin Bandion-Ortner gekippt hatte.

Zu Beginn führte Staatsanwältin Sonja Herbst die Anklage aus. Sie verteidigte die Justizarbeit, jetzt gebe es die Möglichkeit, Fehler des ersten Verfahrens zu korrigieren. Herbst war schon in der ersten Instanz an der Seite von Staatsanwalt Georg Krakow tätig. Die neue Anklage sei auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien erfolgt, räumte sie ein. Herbst selber hätte das Verfahren offenbar großteils einstellen wollen. Die Staatsanwältin kritisierte die Sondergeschäfte der Bawag mit Flöttl in den 1990-er Jahren. Statt nach den ersten großen Verlusten die Geschäfte zu beenden und die Verluste einzugestehen, habe der Vorstand eine Lösung gesucht, um alles zu vertuschen. "Eine Bank ist kein Glücksspielautomat", verwies sie auf einen Zeugen im ersten Verfahren.

ÖGB schließt sich an

Der ÖGB als ehemaliger Bawag-Eigentümer hat sich dem Verfahren angeschlossen. Neben Schadenswiedergutmachung gehe es der Gewerkschaft auch um Aufklärung, wie es dazu kommen konnte, führte Michael Rovina als ÖGB-Vertreter aus. Warum bestand eine "Bank in der Bank", warum wurden Gesetze ignoriert und neuerlich hochriskante Geschäfte eingegangen, obwohl alte Geschäfte mit Totalverlust endeten? Für den ÖGB habe das "Karibik-Abenteuer" großen Schaden und den Abgang tausender Mitglieder gebracht. Der extrem rasche Bankverkauf habe ebenfalls Schaden verursacht. "Die Beiträge von 1,2 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern wurden leichtfertig durch die Bawag aufs Spiel gesetzt", empörte sich Rovina. Heute seien aber die gröbsten Sanierungsprobleme gelöst.

Der Vertreter der BAWAG, Markus Fellner, forderte die Verurteilung aller Angeklagter. Elsner und Flöttl hätten der Bawag mit ihren "Casino-Geschäften" enormen Schaden zugefügt. Nur wegen der Subsidiaranklage der Bank muss sich Elsner, rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt, neuerlich verantworten: Die Bawag fordert von ihm die Pensionsabfindung zurück und hat ihn auf rund 6 Mio. Euro geklagt.

"Verschwörung"

Die Vorwürfe, dass Flöttl das Bawag-Geld gestohlen habe, bezeichnete Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder als von Elsner konstruierte "Verschwörung". Die Justiz habe sehr wohl den Verbleib des Geldes untersucht. Der in New York in der Park Avenue lebende Flöttl sagte bei der Einvernahme zu seinen Personalien, er besitze "eine Million Euro in liquiden Anlagen". Die Bawag hatte Flöttl für Finanzgeschäfte über eine Milliarde Euro überlassen, die Flöttl nach eigenen Angaben bei riskanten Spekulationen verloren hat.

Die angeklagten früheren Bawag-Spitzen fühlen sich von Elsner hintergangen und manipuliert, wie ihre Anwälte argumentierten. Aufsichtsratspräsident Günter Weninger sei von Elsners "Farce" getäuscht worden, so dessen Anwalt Richard Soyer. Elsners früherer Generalsekretär Peter Nakowitz habe nur dessen Anordnungen ausgeführt, die drei früheren Vorstände Christian Büttner, Josef Schwarzecker und Hubert Kreuch seien unvollständig informiert gewesen und konnten die Beschlüsse nicht beurteilen, hieß es von Seiten ihrer Verteidiger.

Nach exakt drei Stunden war der erste Verhandlungstag unter Vorsitz von Richter Christian Böhm beendet. Morgen Donnerstag um 9 Uhr geht das Verfahren mit dem Plädoyer von Thomas Kralik, Anwalt von Ex-Bawag-Wirtschaftsprüfer von der KPMG, Robert Reiter, weiter. Danach will Böhm mit der Befragung der Angeklagten beginnen. Als erster soll Nakowitz befragt werden. Bisher sind 20 Verhandlungstage für den Prozess angesetzt. Das erstinstanzliche Verfahren dauerte von Juli 2007 bis Juli 2008 insgesamt 117 Tage. (APA, 25.4.2012)