Die Dividende ist der neue Zins. Mit dieser Versprechung können die meisten Anleger nicht viel anfangen. Denn der wesentliche Unterschied zwischen Aktien und Anleihen hat sich gerade in der Finanzkrise in die Köpfe gebrannt: Aktien sind riskanter, können auch gerne einmal 60 Prozent verlieren, während Anleihen einen laufenden Ertrag garantieren, wie der englische Name "Fixed Income" es beschreibt.
Doch "es hat einen Strukturbruch gegeben", sagt aber Michael Schmidt, Leiter Portfoliomanagement Aktien beim deutschen Asset Manager Union Investment. Denn Investoren würden von Aktien höhere laufende Erträge in Form von Dividenden verlangen, "nicht mehr ausschließlich auf die Fantasie auf Wachstum hoffen". Insbesondere institutionelle Anleger, also Pensionskassen, Versicherungen oder Banken, würden immer stärker auf Aktien schielen, um laufende Erträge zu erwirtschaften, weil es in anderen Bereichen immer schwerer fällt. Der Trend gehe in die Richtung, dass Fonds mit Dividendenfokus einen Teil der Rentenallokation ersetzen werden, glaubt Schmidt.
Dabei ist die Dividende nicht alles. Zu hohe Dividenden seien ein Warnsignal, "wie die Rendite auf spanische Anleihen", sagt Schmidt. Union Investment hat sich dazu angesehen, wie die Aktien mit unterschiedlich hoher Dividendenrendite (Dividende als Anteil des Aktienkurses) seit 1978 abgeschnitten haben. Daraus ergibt sich ein klares Bild: Dividendenstarke Titel bringen mehr Ertrag, doch die Aktien mit den höchsten Renditen sind mit Vorsicht zu genießen.
Gerade deswegen müssten Anleger auch auf aktives Management setzen, glaubt der Portfoliomanager. Passive, börsengehandelte Fonds (ETFs) mit Dividendenfokus investieren immer in die höchsten Renditen und waren etwa vor 2008 massiv in Finanztiteln investiert und hätten dementsprechend gelitten. Doch ob aktiv oder passiv investiert: dem Aktienrisiko können sich auch Anleger in dividendenstarken Titeln oder Dividendenfonds nicht entziehen.
Schuldenkrise als Aktien
Doch woher kommt dieser Nachfragetrend nach Dividenden? Für Schmidt ist die finanzielle Repression sei dafür ebenso verantwortlich wie die europäische Schuldenkrise. Sichere Staatsanleihen bringen aktuell magere Zinsen, die zehnjährige deutsche Bundesanleihe etwa 1,7 Prozent. Real, also nach dem Abzug der Inflationsrate, die ja die Kaufkraft eines Anlegers schmälert, fällt der Ertrag unter die Nulllinie. Ähnlich sieht es mit anderen sicheren Staatspapieren aus, in den USA mit den Treasuries aus oder in England mit den Gilts.
Gleichzeitig gäbe es hohe Renditen für risikofreudige Anleger. Spanische Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit bringen aktuell 5,75 Prozent jährlich. Doch angesichts des Risikos bei Peripherie-Ländern sind viele Portfoliomanager dazu übergegangen Unternehmensanleihen zu kaufen. Aber auch in diesem Segment sei bereits viel Rendite abgegrast, warnt Schmidt. Die Unternehmensanleihen von robusten Unternehmen wie BMW oder Allianz bringen mit Renditen von unter zwei Prozent ebenfalls kaum den erwünschten Inflationsausgleich (siehe Chart).
Anders hingegen bei den Dividendenrenditen, die bei vielen Unternehmen noch deutlich über fünf Prozent liege. "Daher führt für die langfristige Anlage weiter kein Weg an der Aktie vorbei." Schmidt geht sogar davon aus, dass die Rolle der Aktie als Ertragsbringer größer werden könnte.
Dabei verkennen viele Anleger die Rolle von Dividenden für den langfristigen Investmenterfolg und schielen zu sehr auf die Kursbewegung. Dabei waren Dividenden in der Vergangenheit (je nach Studie) für 60 bis 80 Prozent des Gesamtertrags mit Aktieninvestments verantwortlich, schätzen etwa Experten von Société Générale. Eine aktuellen Umfrage, die das Marktforschungsinstitut YouGov im Auftrag der Fondsgesellschaft Fidelity Worldwide Investment Anfang April unter mehr als 500 österreichischen Anlegern durchgeführt hat, zeigt dabei Wissenlücken auf. Nur vier Prozent der Befragten konnten den Beitrag der Dividendenrendite zum Gesamtertrag richtig einschätzen. (Lukas Sustala, derStandard.at, 25.4.2012)