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Charles Taylor.

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Der Gerichtssaal im Haager Vorort Leidschendam.

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Der Gerichtshof hielt fest, dass Taylor maßgeblichen Einfluss auf die RUF-Rebellen gehabt hatte.

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Das Sondertribunal für Sierra Leone hat den ehemaligen Präsidenten Liberias der Kriegsverbrechen für schuldig befunden. Das Urteil gilt als Meilenstein: Es ist das erste gegen einen Ex-Staatschef seit den Nürnberger Prozessen.

 

Den Haag / Freetown / Wien - Die Räume des Sondertribunals für Sierra Leone waren gut gefüllt. Mehrere hundert Menschen aus allen Teilen des Landes waren am Donnerstag zu dem Gericht in Freetown gekommen, um auf einer großen Leinwand den Richterspruch gegen Charles Taylor zu verfolgen, den früheren Präsidenten Liberias: der Justizminister, der Generalstaatsanwalt und die Gesundheitsministerin, auch Stammesführer, Vertreter der Zivilgesellschaft und Opfer. Um 10.30 Uhr Ortszeit dann das Urteil: schuldig. Wegen Kriegsverbrechen während des Bürgerkriegs in Sierra Leone.

Auf diesen Moment hatten nicht nur viele Menschen in den beiden Ländern gewartet, sondern auch Verfechter der internationalen Strafgerichtsbarkeit weltweit. Zum ersten Mal seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde damit ein ehemaliges Staatsoberhaupt von einem internationalen Gericht verurteilt.

"Niemand über dem Recht"

Die Entscheidung zeige, dass niemand über dem Recht stehe, erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem Statement. Ähnlich äußerte sich Brima Abdulai Sheriff, Direktor von Amnesty International Sierra Leone: "Das heutige Urteil sendet eine wichtige Botschaft an hochrangige Staatsvertreter: Egal, wer sie sind oder welche Position sie innehaben - sie werden zur Rechenschaft gezogen."

Gleichzeitig riefen Menschenrechtsorganisationen die Regierung Liberias dazu auf, die Verbrechen des liberianischen Bürgerkriegs ebenfalls zu ahnden. Dieser ist eng mit dem Konflikt in Sierra Leone verbunden, auf den sich die Arbeit des Sondertribunals beschränkt.

In Sierra Leone selbst äußerten sich viele Menschen positiv über das Urteil. "Wir freuen uns darüber. Nie wieder soll so etwas passieren können, nie wieder", sagte Jemba Ngobeh dem Standard, die eine Frauenorganisation in Sierra Leone leitet und das Urteil am Sitz des Tribunals in Freetown verfolgte. Freudenfeiern blieben aus.

Charles Taylor war in elf Fällen wegen Mord, Vergewaltigung, der Rekrutierung von Kindersoldaten und sexueller Sklaverei angeklagt. Der Prozess fand aus Sicherheitsgründen in Leidschendam bei Den Haag in Räumen des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) statt.

Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte "strafrechtlich verantwortlich" sei für Hilfe und Begünstigung der Verbrechen durch die Rebellen der "Vereinigten Revolutionären Front" (RUF) in Sierra Leone, erklärte Richter Richard Lussick aus Samoa. Taylor habe "wesentlichen Einfluss" auf die Rebellen im Nachbarland gehabt. Doch habe er sie - im Gegensatz zur Ansicht der Staatsanwaltschaft - nicht vollständig kontrolliert und befehligt.

Dem 64-jährigen Taylor, der nach einem Exilaufenthalt in Nigeria im März 2006 bei einem Fluchtversuch verhaftet und ans Tribunal in Freetown überstellt wurde, droht eine lebenslange Haftstrafe. Das Strafmaß soll nach Angaben des Gerichts am 30. Mai verkündet werden.

Als erstes Staatsoberhaupt war der Hitler-Nachfolger Karl Dönitz in Nürnberg von einem internationalen Gericht verurteilt worden. Der nächste könnte der ehemalige Präsident der Côte d‘Ivoire, Laurent Gbagbo, sein, der an den ICC ausgeliefert wurde und der sich voraussichtlich im Juni dem Richter zeigen muss. Einen Haftbefehl hat der ICC auch gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir erlassen wegen schlimmster Verbrechen in Darfur. (raa/DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2012)