Legendärer ACT-Boss Siggi Loch bekam Skoda-Award.

Foto: ACT

Auch Korschenbroich war vertreten. Genauer gesagt: das Kulturamt des zwischen Mönchengladbach und Düsseldorf aus der beschaulichen Landschaft gewachsenen Städtchens, das sich seit 15 Jahren seine eigene, gemeindefinanzierte Jazzkonzertreihe leistet. Und deren Events eine respektable Menge an Besuchern anlockt. Eine Ebene tiefer im Bremer Congress Center konnte man aber Aji Wartono aus Jakarta treffen, einen der Köpfe der Internet-Plattform wartajazz.com. Er erzählte von der lebendigen, immerhin 40 Festivals umfassenden indonesischen Jazzszene. Wobei so mancher "Culture Clash" noch immer nicht ausgeschlossen sei: etwa wenn das deutsche Goethe-Institut einen Individualisten wie Saxofonist Norbert Stein nach Indonesien schleust, dessen auf der Pataphysik von Alfred Jarry basierendes Konzept inszenierter Improvisationsräume unter den Festivalbesuchern staunendes Grübeln hervorgerufen hätte.

Ja, bei der diesjährigen Jazzahead waren sie wieder alle da, die wichtigen Graswurzel-Aktivisten wie auch die nationalen und internationalen Player des Jazz-Biz. Sollten beim Besucher letzte Zweifel darüber vorhanden gewesen sein, ob "der Jazz" zu einem globalen Musikphänomen geworden ist, hier wurden sie ein für alle Mal ausgeräumt. Die Jazzahead ihrerseits, dieser Mix aus Messe, Konferenzforum und Festival, scheint sich vom europäischen Branchentreffen zügig zur wichtigsten Veranstaltung dieser Art weltweit zu entwickeln. Über 500 Aussteller bedeuteten 2012 eine Wachstumsrate von über 30 Prozent - in Zeiten wohlgemerkt, in denen die Midem in Cannes schrumpft und die Zukunft der Berliner Popkomm überhaupt ungewiss scheint.

"Ich denke, es hat damit zu tun, dass Messen, die sich auf ein Hauptthema konzentrieren, aber weltweit vermarkten, zurzeit mehr Chancen haben als die großen, die versuchen, alles unter einen Hut zu bringen", erklärt Uli Beckerhoff (mit Peter Schulze künstlerischer Leiter der Jazzahead) die positive Entwicklung. Dass die allgemeine Krisenstimmung, musikalische Urheberrechts- und "Kulturinfarkt"-Debatten diesmal kein Thema waren, hatte zudem mit einer konzeptionellen Änderung zu tun. Beckerhoff: "Wir wollten aus dem ewigen Jammern rauskommen. Wir sind es leid, dass immer lamentiert und gesagt wird, es müsste uns doch viel besser gehen. Zeigen wir doch Beispiele, wo das wunderbar funktioniert!" Resultat war die Reihe der interessanten "Best Practice Sessions", in der etwa Randall Kline das Projekt des SFJazz Center vorstellte, das zurzeit für satte 63 Millionen Dollar, finanziert mittels großangelegter Spendenkampagne, in San Francisco entsteht und im Jänner 2013 eröffnet werden soll.

Ebenfalls als Vorzeigebeispiel fungierte das Programm der Mindestgagenförderung des Landes Baden-Württemberg: Jazzveranstalter werden bezuschusst, wenn sie jeden Musizierenden mit (aktuell) zumindest 180 Euro entlohnen. In einem Metier, in denen es oft keine Fixgagen gibt, eine durchaus hilfreiche Maßnahme.

Ein Haufen Talente

Zur Eröffnung der Jazzahead wurde ACT-Label-Chef Siggi Loch der mit 15. 000 Euro dotierte Skoda-Award verliehen, den dieser - aus eigener Tasche auf 30.000 verdoppelt - zur Grundlage eines Förderprojekts für junge JazzmusikerInnen unter der Leitung von Spencer-Davis-Group-Legende Pete York machen will.

Dass es der neuen Generation an Talent nicht mangelt, das war auch in den Showcases des "European Jazz Meeting" zu erleben: Etwa in Gestalt des musikalisch brodelnden Quartetts des französischen Sopransaxofonisten Emile Parisien. Oder in Form des gewitzten Schweizer Ensembles "Hildegard lernt fliegen" um den grandiosen Vokalisten Andreas Schaerer, in dessen Kehle Rhythmusmotor und Belcanto-Sirene stecken. Auch in der zu Recht begeisterten Akklamation dieser Darbietungen war die Jazzahead 2012 eine selbstbewusste Kampfansage an alle Unkenrufer. (Andreas Felber, DER STANDARD, 26.4.2012)