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Timoschenko: Hungerstreik als Protest.

Foto: Efrem Lukatsky, File/AP/dapd

Kiew/Moskau - Die Auseinandersetzung zwischen den ukrainischen Behörden und der inhaftierten Ex-Premierministerin Julia Timoschenko nehmen an Härte zu: Timoschenko ist aus Protest gegen ihre Haftbedingungen und einen Zwangstransport in eine Klinik in Charkiw in den Hungerstreik getreten. Die Politikerin erhebt schwere Vorwürfe gegen die Gefängnisleitung. Ihr Anwalt Sergej Wlassenko erklärte, sie sei geschlagen worden, weil sie sich geweigert habe, ihre Zelle zu verlassen.

Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat eingeräumt, dass Timoschenko zwangsweise ins Krankenhaus gebracht wurde, dementiert aber Misshandlungen. Der Antrag auf Einleitung eines Strafverfahrens wurde abgelehnt.

Der Fraktionschef der Timoschenko-Partei BJuT, Andrej Koschemjakin, bestätigte am Mittwoch nach einem Besuch im Gefängnis, dass Timoschenko Blutergüsse habe. Die Gefängnisleitung habe versucht, die Schuld auf ihre Zellengenossin Julia Aballowa abzuwälzen. Tatsächlich wurde Timoschenko vor kurzem mit zwei neuen Häftlingen, einer Geldfälscherin und einer Betrügerin, zusammengelegt. Laut Koschemjakin könnte es sich dabei um eingeschleuste Sicherheitsbeamte handeln.

Auch die Gegenseite erhebt neue Anschuldigungen. Ein in den Medien veröffentlichtes Video soll beweisen, dass Timoschenko gesund ist und ihre Krankheit simuliert. Die Politikerin klagt seit Monaten über Rückenschmerzen, Ärzte der renommierten Berliner Klinik Charité haben die Notwendigkeit einer Therapie bestätigt.

Auf dem Video jedoch ist eine Frau in einer Zelle zu sehen, die sich leichtfüßig bewegt, ihr Bett macht und Stöckelschuhe anzieht. Erst als sie durch Lärm aufgeschreckt wird, springt sie ins Bett und simuliert Rückenschmerzen.

Unterdessen zieht die Timoschenko-Affäre auch international weitere Kreise: Der Europarat zeigte sich "äußerst besorgt" über die Gesundheit der Gefangenen. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich, der auch für Sport zuständig ist, sprach sich zwar gegen einen Boykott der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine aus, erklärte aber, die Bundesregierung habe "sehr klare Erwartungen" in Bezug auf Timoschenkos Behandlung.

Berlin hat eine Behandlung der früheren Regierungschefin in Deutschland angeboten, die Kiew nun auch in Erwägung zieht. Wenn diese Frage die einzig offene in den Assoziierungsverhandlungen mit der EU bleibe, sei eine Regelung für die Entlassung Timoschenkos denkbar, sagte Vizeregierungschef Waleri Choroschkowski laut Agenturberichten in Brüssel. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Teilnahme an einem Präsidententreffen Mitte Mai in Jalta abgesagt. (ab, DER STANDARD, 26.4.2012)