Bild nicht mehr verfügbar.

Gelingt ein rascher Deal mit der EU und dem Währungsfonds? Der ungarische Premier Viktor Orbán und sein Wirtschaftsminister György Matolcsy in Budapest.

Foto: APA/EPA/Koszticsak

 

Brüssel/Budapest/Wien - Zwei gute und eine schlechte Nachricht erreichten Ungarn am Mittwoch aus Brüssel: Der Streit um die Notenbank ist entschärft und die Verhandlungen über Kredithilfen für Budapest können beginnen. Aber die EU-Kommission bringt sofort Klagen beim Europäischen Höchstgericht (EuGH) wegen unzulässiger Eingriffe in Justiz und beim Datenschutz ein.

Zunächst hatte die Kommission entschieden, das laufende Verfahren wegen einer möglichen Verletzung der Unabhängigkeit der Notenbank durch die Regierung von Premierminister Viktor Orbán nicht weiter zu verfolgen. "Klar und deutlich" seien die Garantien, die der ungarische Regierungschef in Bezug auf die Unabhängigkeit der Bank gegeben habe, es soll eine neuerliche rasche Änderung entsprechender Gesetze geben, sagte ein Sprecher der Kommission. Die rechtsnationale Regierung hatte sich im vergangenen Jahr Zugriff auf die Führung der Notenbank verschaffen wollen. Das Verfahren sei aber nur sistiert, nicht eingestellt und könne wieder aufgenommen werden, wenn Orbáns Reformversprechen sich nur als ein Bluff erweisen, machte die Kommission deutlich.

In der Praxis hat das dennoch eine entscheidende Konsequenz: Die Kommission zeigte sich nun wieder bereit, über die von Ungarn verlangten Finanzhilfen zu verhandeln. Ungarn hatte 2011 die EU und den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Kredithilfe ersucht. Wegen der Streitigkeiten mit der EU wurden die Verhandlungen offiziell nie aufgenommen.

Allerdings zweifeln in die Verhandlungen involvierte Personen daran, dass Ungarn mit EU und IWF rasch zu einer Einigung gelangt. Beide Seiten sind in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen völlig anderer Auffassung. So stößt sich der Währungsfonds an den in Ungarn eingeführten Sondersteuern, etwa für die Banken. Auch der Umgang mit den Fremdwährungskrediten ist umstritten.

Zudem verringerte sich der Druck auf Budapest, weil die Spannungen an den Finanzmärkten nachgelassen haben. Der Kurs des Forint hat sich erholt. Anfang Jänner kostete ein Euro 320 Forint, am Mittwoch waren es 286. Die Zinsen für Staatsschulden sind zurückgegangen. "Ungarn hat Zeit. Das Land ist bis in den Herbst durchfinanziert", meint der Budapester Analyst Gergely Suppan von der Takarékbank.

Viel Zeit wird auch vergehen, bis der EuGH bei den beiden Klagen zu einem Urteil kommt. In der Regel dauert das an die zwei Jahre. Die Kommission ist sich jedenfalls sicher, dass die abrupte Absenkung des Rentenalters für Richter und Staatsanwälte von 70 auf 62 Jahre gegen EU-Recht verstößt. Kritiker werfen Orbán vor, dass er damit unliebsame Personen aus dem Amt drängen wolle, um Gefolgsleute einzusetzen. Ähnlich ist das bei der Besetzung der Datenschutzbehörde. (Thomas Mayer/András Szigetvari, DER STANDARD, 26.4.2012)