"Die lange Nacht der Wohnungslosen"

Die Volkshilfe Wien verteilt das Buch kostenlos und ersucht nur um eine Spende zu Gunsten von wohnungslosen Personen oder solchen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. (Tel.: 01/2185690 oder E-Mail: fawos@volkshilfe-wien.at)

Foto: Volkshilfe Wien

Rund 50.000 Wienerinnen und Wiener sind jedes Jahr von Wohnungslosigkeit bedroht - das ist vergleichsweise mehr als die ganze Stadt St. Pölten. In 95 Prozent der Fälle können die von Delogierung bedrohten Bewohner ihre Miete nicht mehr bezahlen.

Für Notfälle wie diese betreibt die Wiener Volkshilfe im Auftrag der Stadt Wien die "Fachstelle für Wohnungssicherung", kurz FAWOS genannt. Sie hilft Mietern von Privat- oder Genossenschaftswohnungen im Ernstfall und fungiert somit als erste Anlaufstelle.

Nicht selten hat man es hier mit dem vielzitierten "schwierigen Fall" zu tun. "Ein, zwei Tage vor dem Räumungstermin können wir halt dann auch nichts mehr machen", sagt Renate Kitzman, die längstdienende Sozialarbeiterin im zehnköpfigen FAWOS-Team. Die Fälle werden immer mehr, stellt sie fest, denn die Mieten steigen schneller als die Einkommen. Vor wenigen Jahren waren es "nur" 2.000 Personen pro Jahr, die sich bei der FAWOS gemeldet haben. Die Hälfte davon wurde nicht bloß beraten, sondern "intensiv betreut", wie Kitzman es ausdrückt. Heute hat es das FAWOS-Team schon mit rund 3.000 Fällen pro Jahr zu tun, nur noch ein Viertel davon zählt aber zu den "intensiv Betreuten".

Immer mehr Betroffene suchen heute - siehe oben - zu spät nach Hilfe. "Wir wissen in den meisten Fällen schon nach dem ausführlichen Erstgespräch, ob eine Wohnung gesichert werden kann oder nicht." Immerhin sei Ersteres in fast drei Vierteln aller Fälle möglich, berichtet Kitzman aus ihrer langjährigen Erfahrung. Diese Statistik bezieht sich allerdings nur auf die Intensivbetreuungen.

Lesebuch mit "Zehn Geboten"

Wie man mit Sicherheit ein Fall für die FAWOS wird, das hat das Team der Fachstelle etwas sarkastisch in den "Zehn Geboten, wie Du Deine Wohnung sicher verlierst" zu Papier gebracht - in Form einer "paradoxen Intervention", die im Jahresbericht 1999 Aufmerksamkeit erregen sollte. "Miete eine zu teure Wohnung an. Du sollst die Miete nicht bezahlen", lautet da etwa das "Erste Gebot". Oder: "Du sollst die gelben Hinterlegungsanzeigen von der Post missachten" (siehe auch unten).

Für das im Vorjahr anlässlich des 15-jährigen Jubiläums der FAWOS herausgebrachte Buch "Die lange Nacht der Wohnungslosen" wurden diese "Zehn Gebote" nochmals verwendet, zusammen mit mehreren Dutzend weiteren Gedichten, Geschichten, Essays und Dramoletten zu den Themen Wohnen, Wohnungsnot, Wohnungslosigkeit. Das Werk, das bei der Volkshilfe gegen eine Spende zugunsten wohnungsloser oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen erhältlich ist, wirft die Frage auf, welche Bedeutung den eigenen vier Wänden zukommt, insbesondere im Hinblick auf eine bevorstehende Delogierung. Mal traurig, mal vergnüglich, aber immer nachdenklich machend, ist es ein etwas anderes Lesebuch, das nicht nur die Wartezeit auf den Makler kurzweiliger werden lässt, sondern auch - siehe Titel - die Zeit der echten Not. Wenigstens ein bisschen. (map, derStandard.at, 26.4.2012)