Das Großstadt-Cowgirl Norah Jones.

Foto: W Ockenfels/ EMI

Wien - Es gehört zum guten Ton des kritischen Kritikers, Norah Jones eher nicht so toll zu finden. Schließlich etablierte sich seit ihrem Debüt Come Away With Me (2002) ein Klischee um sie, das bis heute strapaziert wird. Wie auf Autopilot tauchen in der Rezeption Begriffe wie Candlelight-Dinner-Musik auf oder Blümchensex. Geschuldet sind diese Klischees der Harmlosigkeit ihrer Musik.

Die New Yorkerin spielte hübsch ausgestattete Countryballaden ohne Kuhdung am Absatz, Achselschweiß oder Wolf im Schritt, denn sie reitet für ihre Musik nicht tagelang durch die Prärie. Ihre Songs sind niederschwellig romantisch, tendenziell nostalgisch und traditionell mit der Hand gemacht, also auf richtigen Instrumenten eingespielt.

Natürlich ist sie an ihrem Image nicht unschuldig, schließlich zeigt sich die 33-jährige Traditionalistin dieser Definition nach als nicht wahnsinnig experimentierfreudig, aber das waren die Ramones, Johnny Cash oder Elvis auch nicht. Ja, und frecherweise hat sie bis heute mehr als 40 Millionen Alben verkauft. Jetzt werden noch ein paar mehr dazukommen.

Ihr neues Album Little Broken Hearts fügt sich einerseits brav in das Norah-Jones-Universum ein, andererseits erkundet es neue Galaxien. Immer noch spielt sie countryfizierte Balladen, aber sie nahm den Produzenten Brian Burton alias Danger Mouse in die Pflicht, um Little Broken Hearts zu produzieren. Der 34-Jährige wurde unter anderem als musikalisches Hirn von Gnarls Barkley (Crazy!) weltberühmt.

Skelettierte Songs

Auf Burton kam sie über eine Zusammenarbeit für dessen Album Rome, das er im Vorjahr mit Daniele Luppi eingespielt hat. Burton skelettierte Jones' Songs und nützt den Raum, um darin jene Sounds entwickeln zu können, die die Atmosphäre ihres fünften Albums prägen, in der sich kleine Melodien entfalten können, bis sie vom Echo ihrer selbst geküsst zart erblühen. So funktioniert ein Lied wie She's 22, auf dem kaum mehr als eine Gitarre und ein Piano einen wirkungsvollen Minimalismus praktizieren. Ab diesem Lied geht das Album richtig los, davor verbreiten drei Schleicher gepflegte Langeweile. Ein Lied wie After The Fall behübscht Burton mit lustigen Soundtupfern, Broken Hearts besitzt die nötige Schwere, die so ein Titel braucht, schleppt sich träge, aber bestimmt durchs Jammertal, das Burton vom Hall der Gitarren vermessen lässt.

Das erinnert entfernt an Ennio Morricones Spaghetti-Western-Soundtracks, eine Ästhetik, in der sich Jones hörbar wohlfühlt. Das böse Mädchen, das das Cover-Artwork verspricht, in dem es das Kinoplakat des Schundfilm-Klassikers Mudhoney von Russ Meyer als Vorlage beleiht, das geht sich aber nicht aus.

Dennoch ist Little Broken Hearts das bisher beste Album von Jones. Drei, vier Lieder ruhen zu sehr in sich selbst, aber das Klischee vom Fadgas muss ja auch genährt werden. Weil es aber die sehr verwandt klingende Band Tarnation aus San Francisco nicht mehr gibt, tröstet man sich, ohne rot zu werden, mit Norah Jones.

Macht die Kerzen an, Cowboys! (Karl Fluch, DER STANDARD, 28./29.4.2012)