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Schon in wenigen Monaten sollen in der Marina von Bizerte hunderte Motor- und Segelyachten vor Anker gehen.

Das Hemd blütenweiß und lässig, die Ärmel hochgekrempelt. Als Kontrast sonnengebräunte Haut, eine dunkelblonde Mähne und ein Blick, der unablässig den weiten Horizont sucht: Christophe La cote ist ein Segler. Und erst in zweiter Linie der Marketing-Direktor der Marina Bizerte, hier am nördlichsten Ende Afrikas. In Frankreich, wo er herkommt, hat es Chris tophe nie lange ausgehalten. "Ich wollte immer weg, immer am Wasser sein", erzählt er und zeigt auf die Wandkarte in seinem Büro. "Frankreich, Italien, Kroatien. Ich kenne das alles. Aber hier in Tunesien, in Bizerte, habe ich meinen Traum und meinen Hafen gefunden. Hier will ich bleiben."

Bloß: Den Hafen gibt es, genau genommen, noch nicht. Chris tophe weiß aber genau, wie er aussehen wird. Die Marina von Bi zerte ist das zurzeit größte Infrastrukturprojekt in Tunesien. 120 Millionen Euro stecken die Betreiber in den künftigen Yachthafen, der schon in Kürze riesige und renommierte Anlagen wie jene in Antibes übertrumpfen soll.

Vollbetrieb ab 2013

"Wir werden über 750 Liegeplätze verfügen. Und an einem der Piere haben wir sogar Anlegestellen für Superyachten von 110 Metern Rumpflänge", schildert Christophe stolz das Projekt. "Und was keine andere Marina vergleichbarer Größe bieten kann: Unser Hafen ist sogar für große Katamerane geeignet. Die kosten richtig viel Geld, liegen aber voll im Trend, trotz Wirtschaftskrise. Wir können in Bizerte diesen Trend bedienen. Im Laufe dieses Jahres wollen wir erste Plätze vergeben, ab 2013 soll dann der Vollbetrieb laufen."

Eigentlich sollte man im Zeitplan weiter sein, doch durch die Revolution im Frühjahr 2011, im Zuge derer der despotische Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali nach Saudi-Arabien flüchtete, hat man Zeit verloren. "Ja, etwa vier bis sechs Monate", räumt Christophe ein, "aber Großprojekte wie dieses haben auch ohne Revolten immer gewisse Zeitprobleme. Jetzt funktioniert wieder alles so, wie es soll. Gott sei Dank ist die Mafia nicht mehr da", kommentiert Christophe grinsend.

In natura wirkt die Anlage noch imposanter als im Modell: Schon allein mit ihrer Wasserfläche von 36 Hektar ist sie zehnmal so groß wie die gesamte angrenzende Citadelle, deren Geschichte 3000 Jahre zurückreicht, bis in die Zeit der Phönizier. Die Marina liegt in einer natürlichen Bucht, an deren nördlichem Ende ein Kanal zum alten Fischerhafen an der Stadtmauer führt.

Während der Besucher noch inmitten einer immensen Baustelle steht, wo rohe Betonkonstruktionen einsam im Wind pfeifen, scheint Christophe bereits gelassene Yachteigner sehen zu können. "Die groben Arbeiten, wie Trockenlegungen und Piere, sind erledigt", erklärt der Segler und Manager. "Nun folgt das Finish: elektrische Leitungen, Infrastruktur, Oberflächengestaltung. Und dort drüben, neben dem Kanal, ziehen wir gerade eine gediegene Residence mit dutzenden Apartments hoch."

Eine Marina für alle

An der Wasserkante soll demnächst eine rund einen Kilometer lange Fußgängerzone die Verbindung zwischen exquisiten Boutiquen und kostspieligen Booten bilden. "Wir wollen die Marina für alle öffnen", erklärt Christophe. Es soll keine rigide Trennlinie zwischen Stadt und Hafen geben.

Von der alten Stadtmauer der Garnisonsstadt aus kann man die Marina gut überblicken. Richtung Süden erstreckt sich die Küste bis zur Hauptstadt Tunis. "Der Flughafen ist nicht einmal eine Autostunde entfernt. Und wem das zu weit ist, soll eben mit dem Hubschrauber herkommen und am hafeneigenen Heliport landen. Das wird ein sehr spektakulärer Anflug", erklärt Christophe und zeigt dann nach Osten. "Dort liegt Sizilien, 230 Kilometer entfernt. Und Sardinien ist dort, nordwestlich, das sind keine 200 Kilometer. Ein wunderschöner Tagesausflug."

Wer soll hier anlegen und Liegeplätze kaufen oder pachten? "Wir profitieren davon, dass wir in Tunesien nicht die hohen Steuern der EU eintreiben. Wir wenden uns daher primär an Bootseigner außerhalb der EU, also etwa an Russen, aber auch an Kunden aus Mittel- und Nordeuropa, die über keine idealen Heimathäfen verfügen. Unser großer Vorteil ist die Nähe zu Europa. Von Wien aus ist man in zwei Stunden hier. Du kannst also jederzeit übers Wochenende für einen Segeltörn herkommen und dann wieder nach Hause fliegen. Oder du machst es wie ich und bleibst für immer hier." (Gianluca Wallisch, Album, DER STANDARD, 28.4.2012)