Wie ein Hammerschlag trifft den New Yorker Ganoven Frank "The Fixer" Tagliano der Kulturschock in Norwegen: feiner Humor in "LilyHammer" mit Steven Van Zandt und Anne Krigsvoll.

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Parteistrategen unter sich: Hulu produziert die Webserie "Battleground" mit Jungdemokraten beim Kampf um den Senat.

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Wien - Fans von Arrested Development sind alarmiert: Sechs Jahre nach dem Ende der kultisch verehrten Comedy sind Fortsetzungen in Arbeit. Damit erhalten die schrägen Mitglieder der Familie Bluth ein glorioses Comeback, und Justin Bateman wird weitere vergnügliche Male in der Zähmung scheitern. Zu sehen sein wird Arrested Development allerdings nicht im "normalen" Fernsehen, sondern über Netflix. Vorerst sind zehn Folgen geplant.

Die ambitionierte Eigenproduktion des Abrufportals ist Teil eines Paradigmenwechsels, der sich in der TV-Landschaft der USA gegenwärtig vollzieht: Das "alte" Fernsehen verliert an Terrain und zwar quer über alle Verbreitungswege, ob privat oder öffentlich, ob Abokanal, englisch- oder spanischsprachig. Von drei (NBC) bis zwanzig (ABC, Fox) Prozent betrugen die Einbrüche bei den TV-Stationen von März bis Mitte April.

Selbst Bestprogramme wie die Sitcom Modern Family oder die gefälligen Jungsänger aus Glee schwächeln. American Idol, der Castinggigant bei Fox, halbierte in der elften Saison seine Zuschauergemeinde: Statt 30 Millionen schauen mitunter nur noch knapp 15.

Weg vom US-Diktat

"Die Verluste könnten zu keiner ungünstigeren Zeit kommen", kommentiert die New York Times. Die Branche steht unmittelbar vor den Upfronts, der weltgrößten Händlermesse für TV-Formate. Wer hier gut verkaufen will, muss exzellente Quoten vorweisen. Für die großen Stationen öffnen sich gleichzeitig neue Märkte. Netflix und Hulu gehören bei diesen Messen mittlerweile zu Großeinkäufern. Disneys ABC und Rupert Murdochs Fox dürften sich in Kürze zehn Prozent Anteile von Hulu sichern. Das Unternehmen wird mittlerweile auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt.

Für die Großen wird es auch so nicht leichter: Europa orientiert sich neuerdings mehr am eigenen Markt und will sich vom US-Diktat zunehmend loseisen. Die Quotenrückgänge bedrohen das Milliardengeschäft und könnten für ein baldiges Ende des vielzitierten goldenen Zeitalters des US-Fernsehens sorgen.

Dazu kommt, dass sich offenbar immer weniger ans starre Fernsehprogramm halten wollen, sich mit Festplatte und Timeshift-Taste behelfen. Angenehmer Nebeneffekt: Man entkommt den permanenten Werbeunterbrechungen.

Eigenproduzierte Serien

Vor allem Junge verbringen weniger Zeit vor dem Fernseher. Neun Minuten kürzer saß US-Publikum zwischen 25 und 34 Jahren 2011 täglich vor den Geräten. So bald wird sich dieser Abschwung nicht ändern, denn Abrufplattformen drängen in den Markt - neuerdings gar mit eigenproduzierten Serien, die sich hinter der hochpreisigen Ware der TV-Riesen längst nicht mehr verstecken müssen: In LilyHammer quält sich Steven Van Zandt (The Sopranos) als abgebrühter Mafioso in den moralisch viel zu engen Räumen einer norwegischen Kleinstadt. Netflix produzierte mit Rubicon, Sevenone (Pro Sieben, Sat.1) sorgt für den Vertrieb.

Anfang Februar startete die Serie auf Abruf, schon davor sorgte sie im "alten" Fernsehen für Höchstquoten. Marktanteile von bis zu 56,8 Prozent im norwegischen Fernsehen erinnern an gute, alte Straßenfegerzeiten. Ins " Schlachtfeld" ziehen die Protagonisten in Battleground von Hulu. Die Mockumentary von J. D. Walsh (Two And A Half Men) führt nach Wisconsin, wo Demokraten um den Platz im Senat kämpfen.

Mit kostenintensiven Großeinkäufen und Eigenproduktionen rutschte Netflix 2011 allerdings erstmals ins Minus. Experten sehen den Shoppingrausch als Investition für eine prosperierende Zukunft. Womöglich wartet bereits der nächste kreative Goldrausch, diesmal allerdings im Web - und auf Abruf. (Doris Priesching, DER STANDARD, 28./29.4.2012)