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Die weite ungarische Steppe mit ihren vielfältigen landwirtschaftlichen Möglichkeiten ist für reiche Agrarinvestoren aus dem Ausland von Interesse. Ungarns Regierung missfällt dies.

Foto: Reuters

Mit einer Aktion scharf will Ungarns Regierung gegen sogenannte Taschenverträge vorgehen, bei denen Käufe ausländischer Investoren mit ungarischen Strohmännern erfolgten. Beobachter meinen, dass der Kampf gegen diese Taschenverträge als Vorwand genommen werde, ausländischen - oft österreichischen - Bauern, die legal in Ungarn Ackerland kauften oder pachteten, Schwierigkeiten zu bereiten.

 

Budapest/Wien - Seit etwa einer Woche, als die ungarische Regierung den Plan bekanntgegeben hat, eine Amnestie für sogenannte Taschenverträge ausarbeiten zu wollen, ist der ansonsten so beschauliche österreichisch-ungarischen Grenzverkehr gestört. Zu verstärkten Kontrollen von Fahrzeugen und Papieren kann es kommen, wenn österreichische Bauern auf ihrem Traktor die Grenze queren, um in Ungarn umzuackern.

Die Erklärung für diese verstärkten Grenzkontrollen ist auf der Homepage des ungarischen Landwirtschaftsministerium zu finden. Man wolle, dass Bauern an den Grenzen stärker überprüft werden, steht da zu lesen. Es soll kontrolliert werden, ob es immer korrekte Besitzpapiere gibt und ob bei den Verträgen mit Landarbeitern alles seine Richtigkeit habe. Auch Zoll, Finanzamt und andere Behörden sind angewiesen, besonders sorgfältig zu prüfen. Eine österreichische Kennzeichentafel soll an der Grenze von einem Traktor bereits abmontiert worden sein, berichtet das Mittagsjournal. Allerdings wissen in Ungarn tätige Weinbauern wie Franz Weninger oder Harald Strassner nichts von Schikanen.

Beobachter meinen, dass die illegalen Taschenverträge absichtlich hochgespielt werden und als Vorwand dafür dienen, um korrekt agierenden ausländischen Agrarinvestoren künftig das Leben schwer zu machen. Der konservative Premier Victor Orbán ist für seine ablehnende Haltung bekannt. "Ungarischer Boden muss in den Händen ungarischer Bauern bleiben", zitierte ihn die Zeitung Pester Lloyd.

Bei Taschenverträgen geht es darum, dass landwirtschaftlicher Boden, oft über ungarische Strohmänner, für ausländische Investoren aufgekauft wurde. Der undatierte Vertrag ist dabei so lange nicht offiziell (sondern ein Papier "in der Tasche"), solange die Gesetze den legalen Erwerb nicht erlauben. Der nun bekannt gewordene Plan der Budapester Regierung lautet, dass die dabei involvierten ungarischen Personen (Verkäufer, Rechtsanwälte etc), die ihre Deals bei den Behörden anzeigen, straffrei gestellt werden. Für diese Aktion wird es eine Frist von sechs Monaten geben.

Nicht so häufig

Doch haben schon frühere Untersuchungen ergeben, dass solche Taschenverträge nicht so häufig sind wie oft behauptet. So wurde bei einer Überprüfung vor etwa zehn Jahren festgestellt, dass gerade einmal hundert Hektar so den Besitzer wechselten.

Die legal durchgeführten Käufe von Agrarland spielten sich in anderen Dimensionen ab. Laut ungarischen Medien sollen es bis zu einer Million Hektar Grund sein, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in ausländische Hände gelangten, davon vornehmlich an Österreicher. Für den Experten Ernst Zimmerl, Agrarattaché an der österreichischen Botschaft in Budapest, sind diese Zahlen zu hoch gegriffen. Er schätzt, dass bis zu 200.000 Hektar an Ausländer gingen.

Jedenfalls erlaubte die Regierung in Budapest etwa ab der Öffnung des Eisernen Vorhangs 1989 bis zum Jahr 1994 den Verkauf von Agrarflächen an Ausländer bzw. an juristische Personen. Dann wurde ein generelles Ausländer-Kaufverbot für landwirtschaftlichen Boden erlassen. Das Verbot wurde beim EU-Beitritt Ungarns im Jahr 2004 abgemildert. Seither dürfen solche ausländische Personen landwirtschaftlichen Grund erwerben, die seit drei Jahren dort ihren ständigen Wohnsitz haben und den Grund auch selbst bewirtschaften. Trotzdem werden solche Genehmigungen laut Zimmerl restriktiv vergeben. Juristische Einheiten dürften überhaupt keine Landwirtschaft betreiben - egal ob Ausländer oder Ungarn dahinter stehen.

Rechtssicherheit gefordert

Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP), selbst burgenländischer Bauer, hat nichts dagegen, dass die Taschenverträge genau untersucht werden. Allerdings müsse für die österreichischen Bauern, die rechtmäßig Grund erworben haben oder langfristige Pachtverträge abgeschlossen haben, Rechtssicherheit gelten, ließ er dem Standard ausrichten: "Die haben das ja redlich gemacht." Dies habe er anlässlich eines Agrarministertreffens in Brüssel auch deponiert.  (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 28./29.4.2012)