Jetzt verstehe ich langsam, wieso Grasser immer noch zu frei und zu schön und zu reich herumläuft! So eine Festnahme zu Untersuchungszwecken (die beim Normalsterblichen, der nicht schaumschlaggeboren und fionageküsst dem blauen Meer entstiegen ist, bei einem wesentlich geringeren Betrag längst vollzogen wäre) kann durchaus ein Überraschungsmomentum entwickeln. Vor allem für die vielen, vielen mit den supersauberen Westen.
Dem Überraschungsmoment muss von der mütterlich fürsorglichen Justiz (die gleichzeitig versucht, die Pressefreiheit bei jeder sich bietenden Gelegenheit auszuhebeln wie einen verfaulten Backenzahn) vorgebeugt werden. Am Abgrund ist Vorbeugen allerdings schlechter als Heilen. Dieses böse Überraschungsmoment hat unter anderem dazu geführt, dass Spekulanten-Scheuch, der furchtlose Freibeuter der Kärntner Untiefen, sich und der Allgemeinheit einen weiteren Prozess leisten darf.
Der renitente und nach seinem Schuldspruch auch von Scheuchs Anhängern konsequenzlos bedrohte Richter wird ausgewechselt. Ob das Überraschungsmoment bei den Beobachtern des Falles Scheuch wirklich groß gewesen ist? Justitia ist ja nicht blind. Sie neigt nur ein wenig zum parteiübergreifenden Schielen. Bei den richtigen Personen ist jederzeit mit voller Aufmerksamkeit im besten oder im übelsten Sinne zu rechnen. Für die Verfolgung des Mistkübelzündelns sind Personal und Ressourcen in Hülle und Fülle vorhanden, die dann leider bei Fällen, die das Zündeln an Asylwerberheimen oder das Zündeln zwischen Bevölkerungsgruppen betreffen, fehlen.
Die Justiz scheint den Mistkübel für bedeutender als den Menschen zu halten: eine doch recht kränkende Sichtweise. Ermittlungen gegen Naziwebsites und deren Verbindungen stagnieren, über gravierende Fehler bei Abschiebungen wird öfter großzügig hinweggesehen. Das geforderte Recht des Kindes auf beide Eltern ist da plötzlich null und nichtig und Anfüttern strengstens verboten.
Anfüttern hätte ich mich übrigens auch gerne lassen. Es ist ja nicht so, dass man jeder Versuchung emotionslos aus dem Weg geht. Auch als Normalsterblicher. Aber wenn man dann dem Futtertrog unauffällig und schüchtern errötend näherrückt: Schnecken und Pustekuchen! Seit Jahren arbeite ich im Verborgenen darauf hin, die Pressevorteile in vollen Zügen genießen zu können, und dann das!
Kaum habe ich meine Kolumne, da geht der ÖBB-Presserabatt flöten, und ich sitz schon wieder in der schnöden zweiten Klasse her um und lasse mir die Ellbogen der Nachbarn in die Seiten rammen. Wir sind eigentlich alle Part of the Game. Nur manche sind parter. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 28./29.4.2012)