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Einer der Gründer des Erwin-Schrödinger-Instituts: Walter Thirring.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien - Viele Wissenschafterkarrieren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden von Schicksalsschlägen geprägt. So auch jene des Physikers Walter Thirring, der am Sonntag seinen 85. Geburtstag feiert: Eigentlich war ihm nämlich die Musik näher als die Physik, das Fach seines Vaters Hans. Doch der Bruder, der für die Fortführung des väterlichen Erbes auserwählt war, fiel im Zweiten Weltkrieg, und so verlangte Walter Thirring vom Vater ein Physikbuch. Er holte nach, was er während des "Wahnsinns der Nazi-Diktatur", wie er später schrieb, und durch die Kriegswirren versäumte. Thirring studierte Physik, obwohl er nicht einmal die Matura und damit auch keine Hochschulreife hatte.

Nach der Promotion 1949 ging er ins Ausland, wo Thirring die Gelegenheit fand, mit vier der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts zusammenzuarbeiten. Er war bei Erwin Schrödinger in Dublin, bei Werner Heisenberg in Göttingen und bei Wolfgang Pauli an der ETH Zürich - und schließlich lernte er auch noch Albert Einstein in Princeton kennen.

Der gebürtige Wiener Thirring beschäftigte sich mit der Quantenfeldtheorie, entwickelte dabei ein eigenes Modell, das Thirring-Modell. Schließlich konnte er gemeinsam mit dem US-amerikanischen Physiker Elliott Lieb nachweisen, dass die Materie stabil ist. Trotz seiner erfolgreichen Karriere im Ausland zog es ihn Ende der 1950er-Jahre wieder nach Wien. Er nahm eine Professur an der Uni Wien an, war von 1968 bis 1971 auch Direktor der Abteilung Theoretische Physik am Cern in Genf und gründete 1993 gemeinsam mit dem Mathematiker Peter Michor und der Physikerin Heide Narnhofer das Erwin-Schrödinger-Institut für Mathematische Physik (ESI).

Seine Liebe zur Musik hat Thirring nie aufgegeben. Er komponiert Kammermusik. Und in stillen Momenten gesteht er gerade dabei gern, dass " die Musik beweist, dass es Dinge gibt, die nicht allein durch die physikalischen Gegebenheiten erklärbar sind", Wissenschaft und Religion einander also nicht ausschließen. (pi/DER STANDARD, 28./29.4. 2012)