Der Begriff der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft ist zwar noch jung, er hat aber bereits einen Definitionswandel erlebt. Anfangs waren damit fast ausschließlich Aspekte der Ökologie gemeint, also wie ressourceneffizient Gebäude errichtet und betrieben werden. Neben den ökologischen und ökonomischen Faktoren fließen nun auch vermehrt soziokulturelle in die Bewertung von Immobilien ein.

Breeam in Großbritannien stellte 1990 die ersten Zertifikate aus, mit denen Gebäude als nachhaltig klassifiziert werden konnten. In den USA wurde acht Jahre später das Leed-System entwickelt. Beide Labels richten ihren Hauptfokus auf die ökologische Nachhaltigkeit.

Einen Schritt weiter geht das seit 2007 von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft ausgestellte Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB). Dieses wird seit 2009 auch von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) an den heimischen Markt angepasst und erfasst mit derzeit 53 Prüfkriterien zudem Aspekte der funktionalen Qualität und der Bedürfnisse von Nutzern.

Keine einfache Bilanz

Obwohl die unterschiedlichen Labels den Begriff der Nachhaltigkeit bei Gebäuden allesamt transparenter gemacht haben, gibt es für die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt noch keineswegs eindeutige Erkenntnisse: So kam etwa das Forschungsinstitut für Raum- und Immobilienwirtschaft an der WU Wien zum Schluss, dass bessere Energieeffizienz bei Wohnimmobilien per se keinen höheren Mietertrag nach sich zieht. Der Strategieberater Roland Berger hat wiederum in einer Studie herausgefunden, dass gewerbliche Mieter durchaus bereit wären, bis zu 4,5 Prozent höhere Preise für Büros in einer "nachhaltigen Immobilie" zu zahlen.

Was ausständig bleibt, ist überdies eine wissenschaftliche Kontrolle der unabhängigen Zertifizierer. Labels werden zumeist in der Planungs- und Errichtungsphase vergeben. Ob die Gebäude im Betrieb tatsächlich weniger Energie verbrauchen, wird nicht mehr nachkontrolliert. Ebenso wenig liegen bisher Zahlen dazu vor, ob und inwieweit das ohnehin kleine Segment von sehr energieffizienten Gewerbeimmobilien bereits nachhaltig den Gesamtenergieverbrauch senkt. (saum, DER STANDARD, 28./29.4.2012)