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Schlömer wurde von den Piraten zum neuen Chef ernannt.

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Weisband bemüht sich in ihrer Rede beim Bundesparteitag der Piraten um eine Abgrenzung nach Rechts.

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Neumünster - Die Piratenpartei in Deutschland hat Bernd Schlömer zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Der 41-jährige Regierungsdirektor im Verteidigungsministerium erhielt am Samstag auf dem Parteitag in Neumünster mit 66,6 Prozent die meisten Stimmen der acht Kandidaten. Zuvor hatte sich der Parteitag klar von Holocaust-Leugnern distanziert.

Nach seiner Wahl sagte Schlömer vor Journalisten zu rechtsextremen Äußerungen aus den eigenen Reihen, er sei überzeugt, "dass man diese Probleme nur in den Griff bekommt, wenn man viel spricht. Das geht nur über Gespräche, nicht über Gerichtsverfahren." Der neue Parteichef deutete an, dass er nächste Woche den Wahlkampf in Schleswig-Holstein unterstützen werde. Bei der anschließenden Wahl in Nordrhein-Westfalen strebe die Piratenpartei ein Ergebnis von 6,5 Prozent an.

Schlömer erklärte, er sehe seine zentrale Aufgabe darin, die Mitglieder für das Mitmachen zu begeistern. "Ich möchte für mehr Kooperation und Gemeinsamkeit werben", kündigte er an. Zu möglichen Koalitionen äußerte er sich nicht. Erst müsse die Piratenpartei in die Parlamente kommen, und dann werde man weitersehen.

Rechtsextremismus-Debatte

Schlömer löst den 28-jährigen Informatiker Sebastian Nerz ab, der die Partei ein Jahr lang geführt hatte. Nerz erhielt 56,2 Prozent. Die Berliner Piratin Julia Schramm kam in der Abstimmung nur auf 24,3 Prozent der Stimmen.

Die Rechtsextremismus-Debatte überschattete zeitweise die Beratungen des Parteitags. Nachdem ein Mitglied am Rande der Versammlung vor Journalisten gesagt hatte, man könne über den Holocaust diskutieren, wurde der Parteitag unterbrochen.

Ohne sichtbare Gegenstimme verabschiedeten die etwa 1500 Teilnehmer dann eine Entschließung mit der Formulierung: "Der Holocaust ist unbestreitbarer Teil der Geschichte. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den Grundsätzen der Partei".

Piraten wollen professioneller werden

Die Debatte beeinflusste auch die geplante Wahl für den neuen Bundesvorstand. Als ein Bewerber sich vorstellte, der früher vom "Weltjudentum" gesprochen hatte, verließ ein großer Teil der Versammlung unter Protest die Halle oder drehte dem Redner demonstrativ den Rücken zu.

Mit Blick auf die Bundestagswahl in Deutschland wollen die Piraten professioneller werden, ohne dabei jedoch ihre Prinzipien der Basisdemokratie aufzugeben. Der Parteitag lehnte eine längere Amtszeit der Vorstandsmitglieder ab, vergrößerte das Gremium aber von bislang sieben auf neun Mitglieder. "Wir haben uns vorgenommen, die Struktur der Partei etwas zu professionalisieren, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen", sagte Nerz in seinem Tätigkeitsbericht.

Zum Auftakt der zweitägigen Bundesversammlung rief die bisherige Geschäftsführerin Marina Weisband ihre Partei zu einer verantwortungsvollen Politik auf. "Wir tragen eine riesige Verantwortung, weil wir wissen, dass sich die Gesellschaft grundlegend verändern wird", rief sie den Teilnehmern zu. "Wir waren jung, und wir waren klein, aber wir haben schon Geschichte geschrieben", sagte Weisband, die aus persönlichen Gründen auf eine neuerliche Kandidatur verzichtet hat. "Jetzt werden wir ernst genommen, und es wird gegen uns geschossen."

Bei der Entscheidung für den Tagungsort im hohen Norden hatten die Piraten die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai im Blick. Eine Woche danach wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. In beiden Bundesländern rechnen sich die Piraten gute Chancen auf einen Einzug in das Parlament aus. Sie sind bereits im Berliner Abgeordnetenhaus und im Landtag des Saarlands vertreten. Bei bundesweiten Umfragen kamen sie zuletzt auf neun Prozent. (APA, 28.4.2012)