
Nicky Wire trägt gern Kleider, die andere nicht für viel Geld anziehen würden. Aber in seinem Beruf ist es wichtig, Aufmerksamkeit zu erregen. Er ist Bassist der Manic Street Preachers.
Wien - Die Gnade des seltenen Besuchs wurde von einem vollen Haus belohnt. Dementsprechend war die Stimmung, als die britische Band Manic Street Preachers am Samstag in der ausverkauften Arena die Bühne betrat - wie in der Fankurve am Fußballplatz. Das Quartett kam angereist, um ihre aktuelle Werkschau live zu präsentieren. National Treasures heißt diese und bietet alle Singles, die die Formation aus Wales seit ihrer Gründung Mitte der 1980er-Jahre veröffentlicht hat, ein Best-of-Programm also.
Mit einer Mischung aus gepflegter Routine und routinierter Euphorie holzten James Dean Bradfield, Nicky Wire, Sean Moore und ein Leiharbeiter durch die eigene Geschichte, die Richey Edwards wie ein Geist begleitet. Edwards war Gitarrist der Manic Street Preachers, verschwand 1995 aber spurlos. 2008 wurde er offiziell für tot erklärt, ein Freitod gilt als wahrscheinlichster Grund für sein Verschwinden.
Die Manic Street Preachers werden für ihre politisch linken Positionen geschätzt. Diese kanalisieren sie in Songs, die als Schlachtgesänge aus dem Pub am Eck dröhnen: Revolution gleich, zuerst noch eine Pint, wohl sein. Live verkam das bald zu einem Bestätigungskränzchen zwischen Band und Fans, die in Songs wie The Everlasting bereitwillig den Refrain übernahmen, nicht nur einmal an diesem Abend. Das war nett, aber nicht genug.
Denn so richtig tolle Alben sind den Straßenpredigern im vergangenen Jahrzehnt nicht mehr gelungen, Know Your Enemy aus 2001 war das beste ihrer bisherigen Karriere, Found That Soul und Ocean Spray wurden daraus live gegeben, bei Letzterem vermisste man die Trompete. Eine Coverversion des Titelliedes der US-TV-Serie Mash kam eher arm daher, gelungener eine andere, This Is The Day von The The, vermisst wurde Take The Skinheads Bowling, aber man kann nicht immer alles haben.
Bei Bassist Nicky Wire haben die Stilberater endgültig aufgegeben, die Bar hat nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen fett Umsatz gemacht - kurz: Der Ausflug war okay, die Stimmung ausgelassen, die Darbietung umfangreich, aber kaum je "manic". (Karl Fluch, DER STANDARD, 30.4.2012)