"Ich bin immer wieder erstaunt über den Copy-Paste-Journalismus. Das ist wie stille Post", meint Jelena Popržan (li.).

Foto: Mascha Dabic

"Natürlich ist uns wichtig, wie wir präsentiert werden. Das kann niemandem egal sein, der in den Medien präsent ist", sagt Rina Kaçinari (re.).

Foto: Mascha Dabic

"Hört uns! Dann geht es euch besser!"

Foto: Mascha Dabic

Die Debüt-CD der FörderpreisträgerInnen der Austrian World Music Awards 2011, Catch-Pop String-Strong (Col Legno).

Foto: col legno

So wie diese zwei jungen Frauen an einem warmen Frühlingstag im ORF-Kulturcafé in Wien ihren Kaffee schlürfen - ungeschminkt, leger gekleidet, ganz entspannt und gemütlich -, würde man nicht auf die Idee kommen, dass es sich bei den beiden um die derzeit wahrscheinlich angesagtesten Musikerinnen des Landes handelt. Zumindest an diesem Tag sind sie es definitiv, denn zwischen ihnen türmen sich Tageszeitungen mit geradezu hymnischer Berichterstattung über ihre Auftritte und ihre erste CD. Die Rede ist von Jelena Popržan und Rina Kaçinari, die gemeinsam das Streicherduo Catch-Pop String-Strong bilden. Im Übrigen kommen sie gerade von einem Interview im ORF-Radiokulturhaus, sind aber dennoch weiterhin zum Plaudern aufgelegt.

daStandard.at: Wie man sieht, werden Sie im Moment von Journalisten geradezu belagert. Gibt es überhaupt eine Frage, die Ihnen noch nicht gestellt wurde?

Popržan: Gute Frage. (lacht)

daStandard.at: Wie geht es Ihnen mit der Berichterstattung über Sie und über Ihre Musik?

Kaçinari: Es ist eine große Freude zu sehen, dass so viele Tageszeitungen und Zeitschriften über uns berichten. Es ist eine Freude, zugleich bekommt man auch Angst, wenn man Dinge liest, die man irgendwann einmal gesagt hat, und jetzt stehen sie da. Vielleicht auch ein bisschen anders, als man sie gemeint hat, oder anders, als sie jetzt sind.

Popržan: Ich bin immer wieder erstaunt über den Copy-Paste-Journalismus. Das ist wie stille Post. Heute steht in einer Tageszeitung, wir seien in der Konstellation einzigartig. Das erinnert mich an den Hype rund um den Geiger David Garrett, von dem irgendjemand gesagt hatte, er könne am schnellsten auf der ganzen Welt Rimski-Korsakows "Hummelflug" spielen. Das ist eine reine Fleißaufgabe. Es geht auch gar nicht darum, ob es stimmt oder nicht, es gibt sicher auch jüngere Kinder, die das noch schneller können. Aber es ist interessant zu sehen, wie ein Hype entsteht. Wie es aussieht, werden wir zum Schluss auch einen Stempel verpasst bekommen, ein Markenzeichen oder ein Label.

daStandard.at: Gibt es eine Marke, die Sie sich selbst verpassen würden? In den Medien werden Sie häufig im Kontext von Integration abgehandelt, jetzt gerade übrigens auch. Irritiert Sie das, oder ist Ihnen das egal?

Kaçinari: Egal ist uns gar nichts. Natürlich ist uns wichtig, wie wir präsentiert werden. Das kann niemandem egal sein, der in den Medien präsent ist. Im Moment wird gerade mehr über uns berichtet, weil wir unsere erste CD herausgebracht haben und Preise gewonnen haben. Wir selbst würden uns einfach als zwei normale junge Mädels vorstellen, die Musik machen.

Popržan: Wir würden uns wohl gerne jünger vorstellen, als wir sind. (lacht) Schauen wir mal, was die Zeitungen so schreiben (stöbert in dem Haufen von Zeitungen auf dem Tisch). Hier steht "ein schräges Duo".

daStandard.at: Was glauben Sie, warum Sie schräg sind? Was ist so schräg an Ihnen?

Popržan: Hier heißt es gleich anschließend, serbische Bratschistin und Cellistin aus dem Kosovo. Hier weist "schräg" also eindeutig auf unsere Herkunft hin. Das heißt, damit wird hier spekuliert.

daStandard.at: Wird da also ein Widerspruch konstruiert? So als dürfte es so etwas gar nicht geben, ein serbisch-albanisches Duo? Als würden Sie also gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoßen?

Popržan: Genau. Offensichtlich ist unsere Herkunft für die Leute interessant, vor allem für die Medien, die mit spektakulären Dingen arbeiten, ganz egal, ob diese Dinge wirklich spektakulär sind oder nicht. Rina und ich haben uns auf musikalischer und menschlicher Ebene gefunden. Unsere Herkunft ist nicht unser Thema. Aber wir dürfen da nicht wegschauen. Mein Gott, es gibt viele uninteressante Themen, mit denen man sich beschäftigen muss.

Kaçinari: Ich finde es schade, wenn man so reduziert wird. Es ist schade, dass man weniger über unsere Kompositionen schreibt und mehr über unsere Herkunft. Wir lesen immer, die eine kommt aus Serbien, die andere kommt aus dem Kosovo, aber wir lesen nie, die zwei Musikerinnen, die zwei Streicherinnen. Die Musik steht im Vordergrund. Ich hoffe, es bleibt so. Denn grundsätzlich und primär sind wir da, um Musik zu spielen, und nicht, um Messages an die Welt zu senden, was besser oder anders klappen sollte. Das ist nicht unser Anliegen.

Popržan: Genau, wir benützen die Musik nicht, um politische Botschaften auszusenden.

Kaçinari: Als Zuhörer denkt man ja nicht daran, woher wir kommen.

daStandard.at: Wie geht es Ihnen persönlich mit all diesen Etiketten?

Popržan: Wir haben viele Zuschreibungen gehört wie schräg, groovy, lebendig, Vielfalt, Frauenpower ... Ich denke, diese Dinge hört man durch die Musik heraus. Aber hinterher werden sie woanders gesucht.

daStandard.at: Rationalisiert?

Popržan: Unserer Herkunft zugeschrieben. Weil es das Klischee gibt, dass Balkanmenschen Feuer im Blut haben. Schräg ist nicht unsere Musik, schräg sind nicht wir, sondern unsere Konstellation. Frauenpower ist auch nur so ein Klischee.

(Inzwischen bekommt Rina Kaçinari einen Anruf. Der Anrufer hat in einer Tageszeitung über das Duo gelesen und möchte sie für seinen 80. Geburtstag im November buchen.)

daStandard.at: Auf dem Cover Ihrer CD steht, "welchen Drachen sie zähmen und reiten". Wie ist das zu verstehen? Welcher Drache ist es denn?

Popržan: Das ist ein Halbsatz aus einem beigelegten Text, es ist nicht der Name des Albums. Unser Label Col Legno nimmt immer einen Satz aus dem Text heraus und postet ihn aufs Cover.

Kaçinari: Musikalisch gesehen ist das schon wahr. Gemeint ist, dass wir eine genaue Vorstellung davon haben, wie wir wollen, dass die Stücke klingen.

Popržan: Wenn wir unsere CD so genannt hätten, dann würde das ein wenig angeberisch klingen. Manche würden nur Drache lesen, und das ist dann wieder etwas, das zu einer Klischeeisierung führt. Man denkt dann an Heldinnen oder so.

 

Catch-Pop String-Strong: "9/8" - Live

daStandard.at: Sie haben inzwischen einige sehr wichtige Preise gewonnen, zum Beispiel den Newcomer-Förderpreis des Austrian World Music Award 2011. Was bedeuten die Preise und Auszeichnungen für Sie?

Kaçinari: Ich war sehr stolz, ich bin im Porgy & Bess vor Freude herumgehüpft. (lacht) Wir haben schon als Jugendliche an Wettbewerben teilgenommen, aber diesmal war es eine besondere Sache. Es gab 111 Bewerber, und wir waren die kleinste Formation, noch dazu nach einer so kurzen Zusammenarbeit. Da ist man froh und stolz.

Popržan: Für mich ist es eine schöne Anerkennung unserer Arbeit, zugleich ist es aber auch etwas, das zu mehr Verantwortung zwingt.

Zugleich sind wir Teil des Programms New Austrian Sound of Music, was bedeutet, dass das Establishment uns durchaus als Teil der österreichischen Musik wahrnimmt. Das ist ein weiteres Etikett, obwohl wir zugewandert sind. In Österreich sagt man ja zuwandern und nicht einwandern.

Kaçinari: Moment mal, fühlst du dich wirklich als eine Zuwanderin in Österreich? Ich gar nicht. Jetzt bin ich hier, aber wo ich später sein werde, weiß ich nicht. Ich habe in Kroatien und Slowenien gelebt, auch in Graz, und ich weiß nicht, wie es weitergeht. Hoffentlich kann ich noch woanders leben, wo es für mich spannend ist. Wien soll nicht die Endstation sein, auch wenn alles cool und schön ist. Ich bin vielleicht so etwas wie eine Zwischenwanderin. (lacht)

Popržan: Aber das ist, weil du die Staatsbürgerschaft hast und dadurch die Freiheit, dir über diese Dinge keine Gedanken zu machen. Ich finde es beleidigend, wenn ich so wie heute höre und lese, dass bei den Lernunterlagen für den Test für die Staatsbürgerschaftskandidaten gravierende Fehler entdeckt wurden. Es gibt sinnlose Schikanen, und das ist beleidigend. Noch etwas: Wenn ich mein Visum beantrage, steht jetzt immer fett gedruckt da, dass man verpflichtet ist, "Modul eins" zu erfüllen. "Modul eins" bedeutet, dass man Deutschkenntnisse nachweisen muss, auch wenn man einen österreichischen Studienabschluss hat. Dieser fett gedruckte Satz ist aber falsch geschrieben, ein Teil fehlt. In solchen Momenten fühle ich mich als ein Teil dieser Gruppe, die oft auch als "Ausländer" bezeichnet wird.

daStandard.at: Aus Solidarität? Obwohl Sie inzwischen die Freiheit haben, diese Dinge auch zu ignorieren?

Popržan: Natürlich. Es ist trotzdem ein Thema für mich, weil ich in dieser Gesellschaft lebe. Weil es Probleme dieser Gesellschaft sind, die mich indirekt betreffen, auch wenn es nicht meine persönlichen Probleme sind. Unter diskriminierenden Gesetzen leiden die Schwächsten meistens noch mehr.

 

Catch-Pop String-Strong: Turbofolk Queen

daStandard.at: Jetzt sind wir vom eigentlichen Thema, nämlich Ihrer Musik, ziemlich abgekommen. Möchten Sie zum Abschluss unseren Lesern noch etwas sagen?

Kaçinari: Hört uns! Dann geht es euch besser! (lacht) (Mascha Dabić, daStandard.at, 30.4.2012)